Baumwissen

Strategie der Bäume: Die Mastjahre

Junge Früchte einer Eiche
J. Böhm

Die Samenmast bei Waldbäumen ist in Europa alle paar Jahre zu beobachten. Wenn sich die Äste der Buchen und Eichen unter der Last biegen und der Waldboden mit Eicheln und Bucheckern bedeckt ist, handelt es sich um ein Mastjahr. Zahlreiche Faktoren beeinflussen das Phänomen und die Wissenschaft forscht intensiv an den Auslösern der Mastjahre.

Was ist ein Mastjahr?

Waldbäume tragen nicht jedes Jahr gleich viele Früchte. Jahre, in denen Kastanien, Eicheln und Bucheckern im Überfluss vorhanden sind, heißen Mastjahre. Der Name stammt aus früheren Zeiten, als die Bauern ihre Schweine in Wäldern hielten. In Jahren mit vielen Früchten fanden die Schweine mehr Futter, woraus der Begriff „Mastjahr“ entstand.

Mast-Baumarten in Europa

Längst nicht alle Baumarten sind von Mastjahren betroffen. Lediglich Pionierbaumarten wie Pappel, Weide oder Birke fruchten jedes Jahr gleich reichlich. Von Mastjahren sind alle Baumarten betroffen, die eine unregelmäßige Fruchtbildung haben. Viele unserer heimischen Baumarten haben eine alternierende Fruchtbildung, ähnlich der Obstbäume. Dazu gehören in europäischen Wäldern vor allem Buche, Eiche, Fichte, Tanne, Ahorn, Linde und Kastanie. Besonders auffällig ist die Mast im Wald. Beim Spaziergang im Herbst sticht die Masse an Früchten auf dem Waldboden ins Auge.

Aktuelles: 2022 ist das Mastjahr der Fichte

Nicht nur Laubbäume haben Mastjahre. Wie im Frühjahr 2022 wieder deutlich wurde, gibt es auch bei Nadelbäumen wie der Fichte eine Mast. Bemerkenswert dabei: Das letzte Mastjahr der Fichte liegt mit 2018 noch gar nicht all zu lang zurück. Fichten durchleben in der Regel im Abstand von vier bis sieben Jahren ein Mastjahr. In den Jahren dazwischen verwenden die Bäume mehr Energie für Wachstum als für die Samenproduktion und blühen daher nur schwach. In einem Mastjahr hingegen entwickeln alle Fichten von April bis Mai gleichzeitig eine sehr hohe Anzahl an Blüten. Der gebildete Blütenstaub wird massenhaft durch den Wind verteilt und bedeckt Autos, Vordächer und Teiche mit einer gelben Pollendecke.

Blütenpollen bildet die Fichte in den männlichen, gelblich-braunen Blüten. Etwa zeitgleich erscheinen an den Ästen jedoch auch die weiblichen Blüten. Sie sehen aus wie kleine, lilafarbene Zapfen. In Mastjahren erscheint die Fichte dadurch fast wie eine blühende Zierpflanze. In den nächsten Monaten entwickeln sich aus den Blüten langsam die eigentlichen Zapfen der Fichte. Diese fallen spätestens bis Dezember als ganzer Zapfen zu Boden.

Polleninvasion im Gartenteich und Blumenbeet

Gelbe Teppiche auf der Wasseroberfläche sehen nicht nur unschön aus, sie können den Teichen auch schaden. Die mit Nährstoffen vollgepackten Pollen sinken mit der Zeit in die Tiefe. Dort geben sie vor allem Phosphate ab und eutrophieren den See. Das bedeutet, dass das Wasser immer nährstoffreicher wird und Algen sich übermäßig ausbreiten können. Um das zu verhindern lohnt es sich durch absaugen oder eine Filteranlage den Pollenteppich einzusammeln.

Was der Teich nicht mag, ist fürs Pflanzenwachstum dafür umso wichtiger. Pollen, die auf der Erde landen, werden durch das Regenwasser eingeschwemmt. Im Boden zersetzen Lebewesen die Nährstoffbomben und machen sie so für Pflanzen zugänglich.

Wie oft gibt es Mastjahre?

Mastjahre sind ein regelmäßig wiederkehrendes Phänomen. Doch sie sind abhängig von den jeweiligen Baumarten. Bei Buchen tritt alle drei bis sechs Jahre ein Mastjahr auf, bei Eichen nur alle sechs bis zwölf Jahre. Linde und Kastanie können sogar im dreijährigen Rhythmus masten.

In den letzten Jahren häuften sich die Mastjahre. Forscher vermuten, dass dies mit dem Klimawandel zusammenhängt. Zum einen kommt es vermehrt zu Spätfrösten, die ein Mastjahr im Folgejahr begünstigen. Zum anderen sorgen warme und trockene Sommer für einen höheren Blütenansatz. Für die Bäume bedeuten häufige Mastjahre zwar eine gute Verbreitung ihrer Samen, aber auch einen höheren Energiebedarf.

Ursachen für Mastjahre

Viele Baumarten fruchten in regelmäßigen Abständen mehr oder weniger stark. Das hat vor allem einen Grund: Die Ressourcenverteilung. Setzt der Baum viele Blüten an und werden diese nicht vom Spätfrost erwischt, gibt es im Herbst viele Früchte. Das braucht jedoch viele Ressourcen und der Baum legt im selben Jahr nur wenige Blüten für das Folgejahr an. Das Ergebnis: Im darauffolgenden Jahr gibt es weniger Früchte. Jede Baumart hat einen eigenen Rhythmus, in dem die Mastjahre wiederkehren.

Die Umwelt und das Wetter beeinflussen die Mast der Bäume. Zerstört Spätforst die Blüten, setzt der Baum noch im selben Jahr zahlreiche neue Blütenknospen an. Das Jahr darauf entwickelt sich zum Mastjahr. Nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen spielt auch die Witterung ein Europa eine Rolle. Die Nordatlantik-Oszillation ist eine Klimaschwankung, die das Wetter mitbestimmt. Sie gibt vor, wie Temperatur und Niederschläge zur Zeit der Blütenknospendifferenzierung im Sommer des Vorjahres und der Blüte im Frühjahr ausfallen. Abgleiche der Schwankungen und der Mastjahr-Zyklen ergaben deutliche Überschneidungen.

Mastjahre oder Alternanz

Auch der Apfelbaum gehört zu den mastenden Baumarten. Bei ihm heißt das Phänomen jedoch „Alternanz“ und findet im zweijährigen Rhythmus statt. Die neueste Forschung geht bei Obstbäumen davon aus, dass sich in den Früchten Hormone bilden, welche die Bildung von Blütenknospen unterdrücken. Durch gezielten Obstbaumschnitt unterdrücken Baumpfleger die Alternanz und sorgen damit für einen gleichen und moderaten Ertrag. Ob das bei Waldbäumen auch der Fall ist, ist bisher unbekannt. Der Unterschied zur Mast ist vor allem der zeitliche Abstand der Jahre mit hohem Fruchtansatz.

Dutzende Äpfel an einem Zweig
Bei Äpfeln spricht der Fachmann von Alternanz. – Redaktion

Bedeutung für die Natur

Wie alles in der Natur ergeben auch Mastjahre Sinn. Sie sichern für Bäume das Überleben einer neuen Generation und steuern die Population von Waldbewohnern. In Jahren mit wenigen Früchten fressen Mäuse, Rehe, Hirsche und Schweine das Angebot restlos auf. Durch das knappe Nahrungsspektrum vermehren sich gerade Kleinsäuger wie Mäuse weniger und die Population geht zurück.

Im Jahr darauf folgt die Mast. Die Fülle an Früchten ist viel zu viel für die kleineren Populationen und es bleiben genug Samen übrig die keimen und eine neue Baumgeneration bilden. Gerade Eichhörnchen verstecken in diesen Jahren enorm viele Früchte, von denen sie nur einen Bruchteil wiederfinden. Der Rest der im Boden versteckten Früchte findet ideale Bedingungen vor entwickelt sich zu jungen Bäumen. Das Überangebot sorgt für mehr Nachwuchs und der Bestand an Waldbewohnern steigt wieder an, bis sie im Jahr darauf wieder zu wenig Nahrung finden. Ein natürlicher und sich stetig wiederholender Kreislauf der Natur.

Allergiker und Spaziergänger

Für Allergiker sind Mastjahre nicht gerade angenehmen. Denn sie leiden unter dem vielen Blütenstaub im Frühjahr und merken die zahlreichen Blüten wohl als erste. Waldspaziergänger freuen sich dagegen im Herbst über die Früchte. Bucheckern, Eicheln, Kastanien und andere Baumfrüchte liegen auf den Wegen und laden zum Sammeln für die herbstliche Dekoration ein. Wenn Sie im Spätsommer aufmerksam durch den Wald gehen, erkennen Sie bald, ob es sich um ein Mastjahr handelt oder nicht.

Wie hängen Mastjahre und Zecken zusammen?

Ein Zusammenhang zwischen Mastjahren bei Eichen und Lymeborreliose zeigt auf faszinierende Weise, wie Dinge in der Natur zusammenhängen. Forscher entdeckten die Kettenreaktion 1975 in den Vereinigten Staaten. Durch das hohe Nahrungsangebot an Eicheln während einer Mast, zieht es die regionalen Weißwedelhirsche vermehrt in den Wald. In der Folge finden weibliche Hirschzecken mehr Wirte und haben bessere Chancen durch den Winter zu kommen. Das wiederum führt dazu, dass sie im folgenden Frühjahr mehr Zeckeneier ablegen.

Ebenfalls sammeln im Mastjahr Weißfußmäuse riesige Berge an Eicheln und vermehren sich im nächsten Jahr explosionsartig. Diese Mäuse sind gleichzeitig ein wichtiger Wirt für die für Lymeborreliose ursächlichen Bakterien und für junge geschlüpfte Zecken. Die Zecken infizieren sich beim Saugen an den Mäusen mit dem Bakterium und überwintern anschließend im Boden. Nach dem Winter und circa anderthalb bis zwei Jahre nach dem Mastjahr heften sich die adulten Zecken bei der Suche nach einer kleinen Blutmahlzeit auch an den Menschen. Beim Saugen kann sich das Bakterium auf den Menschen übertragen. Durch das hohe Aufkommen an „verseuchten“ Zecken treten verstärkt Fälle der Lymeborreliose auf.

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