KANN EINE HECKE WANDERN?

Blatt_Frage

Wir haben im Jahr 1990 eine wurzelnackte Rotbuchenhecke gepflanzt (circa 1,20 Meter hoch, circa 200 Pflanzen auf 42 Metern). Zweieinhalb Jahre später haben wir – nach Bau unseres Hauses – Mutterboden verteilt. Da unsere Erbodenhöhe dadurch zwischen null und 40 Zentimeter höher (auf circa zehn Metern) als das Nachbargrundstück war, haben wir „Kaninchendraht“ vor die Stämme gelegt, so dass kein Erdreich zu den Nachbarn fallen konnte (wir haben schweren, lehmigen Boden). Jetzt nach 25 Jahren meinen die Nachbarn, dass sich die Hecke immer weiter zu ihren Ungunsten verschiebt – also die Stämme und Wurzeln, nicht der Überhang/Überwuchs. Kann so eine Hecke wirklich „wandern“?

Unser Grundstück ist zwischen null und 40 Zentimeter höher als das Nachbargrundstück, daher die Kante beim Stamm der Hecke. Die Nachbarn haben selbst sehr viel Erde abgetragen und ihr Grundstück dann mit hochstehenden Betonplatten befestigt. Die Grundstücke haben insgesamt ein leichtes Gefälle. Unser Grundstück wurde als letztes bebaut. Wir haben zum Feld hin einen Wall errichtet, da vor unserem Bau die Nachbarn links und rechts Wasser im Keller hatten. Das Wasser ist vom ansteigenden Feld Richtung Häuser gelaufen und hat bei unserem Nachbarn auch den damaligen Carport unterspült. Wir haben dann das Grundstück beim Verteilen des Mutterbodens ab dem mittlerem Bereich eingeebnet. An der Stelle lagen wir zum einen Nachbarn dann eben auch 40 Zentimeter höher, während es in die andere Richtung immer weniger Niveau-Unterschied war. Die letzten zwölf Meter besteht kein Unterschied mehr zwischen den Grundstückshöhen.

Antwort 1

WANDERN AUSGESCHLOSSEN

Blatt_Antwort

Anhand der gelieferten Bilder und Informationen möchte ich ein „Wandern“ der Hecke ausschließen, wenngleich aufgeweichter Tonboden durchaus abrutschen kann (zum Beispiel Murenabgänge im Gebirge) – vor allem nach einer einseitigen Grundstücks-absenkung. Dann müssten die Pflanzen aber jetzt schief stehen und gegebenenfalls auch ein Bodenriss oder gar eine grabenartige Delle auf ganzer Länge des höheren Grundstückes zu sehen sein.

Baumsachverständiger Udo Kaller, PLZ: 89358

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Antwort 2

AKTIVES WANDERN VON HECKEN NICHT MÖGLICH

Blatt_Antwort

Gehölze können nicht aktiv wandern, sie können sich aber durchaus passiv verschieben. Vereinzelt kann es an Hangbewegungen liegen oder durch optische Täuschung aufgrund des Höhenwuchses. Hauptursache ist aber meist das Dickenwachstum der Bäume. Allerdings sind diese „Wanderungen“ begrenzt auf wenige Zentimeter. Größere Dimensionen werden nur nach vielen Jahrzehnten, eher Jahrhunderten erreicht.

Hintegrund und mögliche Ursachen

Grundsätzlich können Hecken nicht aktiv wandern. Indirekt sind Verschiebungen jedoch durchaus möglich.

Lageveränderung durch Bodenverschiebungen (Hangbewegungen)

Bodenbewegungen – insbesondere bei geneigten Flächen – gehen bei organisch gewachsenen, natürlichen Böden meist langsam vonstatten. Schneller kann dies bei künstlich aufgeschütteten Böden gehen, da der Boden organisch noch nicht ausreichend stabilisiert ist. Dort kann es durch Setzen des Bodens oder Hangrutschungen zu Lage-Verschiebungen der Gehölze kommen. Indiz dafür wäre, dass Stämme krumm stehen. Stämme können sich aber auch krümmen, weil sie durch Lasten (Wind oder Fruchtbehang) neigen beziehungsweise umgedrückt werden.

Hängende vs. gebogene Stämme

Nicht zu verwechseln sind hängende Stämme mit gebogenen Stämmen – vornehmlich im Stammfußbereich, wie es an Berghängen oft zu beobachten ist. Entgegen dem Glauben – auch vieler Fachleute –, dass sich mehrjährige Stämme aktiv aufrichten können, bin ich der Auffassung, dass es sich dabei um Biegungen handelt, die auf das Frühstadium des Baumwachstums (Keimlingsphase, ein bis drei Jahre nach dem Keimen) zurückzuführen sind. Baumkeimlinge wachsen an Naturhängen anfangs oft erst hangabwärts im Dickicht, bis sie sich aufstellen. Durch Dickenwachstum kommt es dann über die Jahre zu den gebogenen Stammfüßen. Weil die Jahrringdicke in einem Jahrring nicht gleichmäßig ist, sondern die Dicke durch Druck- und Zugbelastung an den einzelnen Stellen beeinflusst wird, verändert sich im Laufe der Jahre auch das Aussehen des Stammfußes, der suggeriert, der Baum wäre umgefallen und hätte sich aktiv aufgerichtet.

Veränderung der Lage eines Gehölzes durch Dickenwachstum

Alle Bäume haben ein sekundäres Dickenwachstumm – nicht nur der Stamm und die Äste, sondern auch die Wurzeln (Jahrring). Alle lebenden Gehölzteile wachsen also radial nach außen (ausgenommen Palmen, die deshalb auch nicht zu den Bäumen gezählt werden). Nur im ersten Jahr eines Astes wächst er in die Länge. Danach wird er nur noch dicker. Trotzdem hat man oft den Eindruck, dass ein Stammfuß oder ein Kronenansatz in die Höhe wächst. Dafür verantwortlich ist das Dickenwachstum. Die Oberseite einer Astgabel ist zum Beispiel im ersten Jahr auf einem Meter Höhe (siehe Abb. 1: Abstand zwischen 1 und 2). Nach 30 Jahren ist der Radius des Astes vielleicht zehn Zentimeter dicker (siehe Abb. 1: Bild Mitte und rechts). In die Höhe gewachsen ist der ursprüngliche Stamm, dem der Ast entsprungen ist, nicht. Der Abstand beträgt immer noch einen Meter. Aber die Oberseite der Astgabel ist um zehn Zentimeter höher als vorher (siehe Abb. 1: A). Das Gleiche passiert natürlich auch im Wurzelbereich. Das Erdreich muss weichen. Deshalb hebt sich im Lauf der Zeit der Boden. Oder der Baum wird in die Höhe gehoben (siehe Abb. 1: Abstand von 2 zur Grundfläche). Das lässt unsere Astgabel im Beispiel nach 30 Jahren nochmals um einige Zentimeter anheben (siehe Abb. 1: 3). Ein normaler Vorgang.

Kann eine Hecke wandern?

Abbildung 1: Ausmaße und Lage des Baums bei der Pflanzung (links), nach 30 Jahren bei gleich verteiltem Dickenwachstum der einzelnen Jahrringe (Mitte) und nach 30 Jahren bei ungleich verteiltem Dickenwachstum der Jahrringe (rechts)

Wachsen die Jahrringe nicht gleichmäßig in der Dicke, sondern an einer Seite stärker als auf der anderen, dann ist der Ansatz des Wurzelanlauf um einige Zentimeter entfernter vom Ursprungsort, als das bei gleichmäßigem Wuchs der Fall wäre (siehe Abb. 1: Vergleich der Strecke B1 mit der Strecke B2 bei gleichmäßigem Wuchs und der Strecke B3 bei ungleichem Dickenwachstum).

Wachstum verdrängt in die Richtung, in der der Widerstand am geringsten ist. Das führt dazu, dass Mauern umkippen oder Steine weggedrückt werden. Ist der Widerstand zu groß, verlagert der Baum das Wachstum an andere Stellen. Das Wachstum wird so gesteuert, dass der Baum möglichst stabil steht. Er kann bis zu einem gewissen Grad das Wachstum dorthin steuern, wo es statisch gebraucht wird. Gelingt ihm das nicht, versagt das System. Wie gut Bäume das beherrschen, sieht man daran, dass es Bäumen über Jahrzehnte gelingt, stabil zu stehen – trotz Wind und Sturm.

Optische Täuschung

Nach 30 Jahren sind bei Hecken die Äste und Stämme dicker als bei der Pflanzung. Würde man die Hecke in den Ausmaßen belassen, die sie bei der Pflanzung hatten, so hätte man eine kleine hässliche gedrungene Hecke mit dicken Ästen. Weil wir aber um optische Harmonie bemüht sind, lassen wir die Hecken automatisch größer werden, da dann die zunehmende Ast- und Stammdicke harmonischer zum Gesamtbild passt. Im Aussehen gleicht die 30 Jahre alte Hecke der Form in den ersten paar Jahren nach der Pflanzung. Der Zuwachs in den Ausmaßen fällt dem Betrachter gar nicht so auf, weil die Dimensionen der Äste und des Stammes zum Gesamtbild passen. Nur dann, wenn man die Hecken nebeneinander stellt, fällt das auf. Da aber der Vergleich nach 30 Jahren fehlt, scheint es, als wäre die Hecke gewachsen (siehe Abb. 2). Aufgrund des Dickenwachstums, rückt die Hecke an die Begrenzung zum Nachbarn heran.

Kann eine Hecke wandern?

Abbildung 2: Hecke nach der Pflanzung (links), Hecke nach 30 Jahren mit dickeren Ästen (rote Linien) bei gleichen Ausmaßen (Mitte), Hecke nach 30 Jahren mit dickeren Ästen und Ausmaßen, die harmonisch zur neuen Ast- und Stammstärke passen (rechts); blauer Balken markiert die Grenze zum Nachbarn

Der Autor: Johannes Bilharz

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1 Antworten
  1. Jürgen Oeckl

    Habe derzeit mit meinem Nachbarn einen Rechtsstreit wegen einer vernachlässigten Hecke (weder Abstands- noch Höhenregeln wurden eingehalten). Durch das extreme Höhenwachstum sind bei nun näherem Hinsehen auch die Wurzeln stark gewachsen und haben mein angrenzendes Beet und den Gartenzaun verdrückt. Zudem sind aufgrund des nicht eingehaltenen Abstands keine Pflegeeingriffe zwischen Hecke und Gartenzaun möglich, so dass sich die Hecke auch von unten unkontrolliert vermehrt.

    Antworten

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