Neuseeland: Wenn Träume fliegen lernen

Neuseeland – speziell für viele Baumkletterer wegen der Ursprünglichkeit der Natur und einer Vielzahl an beeindruckenden Baumgiganten ein Sehnsuchtsort. Felix Seidler hat seinen Traum verwirklicht. Von seinen Einblicken in die Baumkletterszene am anderen Ende der Welt erzählt der Baumpfleger in einem spannenden Erfahrungsbericht auf dem Baumpflegeportal.

Freunde gaben den Anstoß

Zwischen Selbstständigkeit, Studium und Alltag ist oftmals nicht viel Platz zum Durchatmen. 2019 beschlossen meine Partnerin und ich daher, uns nach ihrem abgeschlossenen Studium genau diese Zeit zu nehmen. Als Gärtnermeister, Baumpfleger und -kletterer war Neuseeland für mich schon immer ein Sehnsuchtsort. Ich wollte diese unberührte Natur einmal hautnah erleben und bereits seit langem sehen, wie auf der anderen Seite der Welt in Bäumen gearbeitet wird. Viele meiner Kollegen und Freunde aus der Baumkletterbrache waren schon einmal in Neuseeland oder kommen ursprünglich von dort. Das hat mich motiviert, dorthin zu reisen und mir zugleich geholfen, die Reise zu planen und von Baumklettern vor Ort zu lernen.

Kontakt über Netzwerke

Noch von Deutschland aus machte ich mich auf die Suche nach Baumpflege- und Kletterfirmen in Neuseeland. Über die sozialen Medien landete ich schnell bei Ash & Oak sowie bei Arborist 360. In meinem 100-Tage-Stopp vom Alltag wollte ich keinesfalls auf das Baumklettern verzichten, so dass ich die Zeit in Neuseeland als eine Art selbstgestaltetes Work and Travel nutzte.

Neuseeland und Einreise

Neuseeland ist ein weltoffenes Land, doch auch hier gelten bei der Einreise bestimmte Bedingungen. Es werden strenge Kontrollen durchgeführt, damit keine invasiven Arten von anderen Kontinenten in das Land kommen. Ich kann nur jedem empfehlen, sich eine frische Handsäge zu kaufen und seine eigene Ausrüstung vor der Einreise sehr gründlich zu reinigen. Als Naturliebhaber können wir sicherlich alle diesen Grundgedanken der neuseeländischen Behörden nachvollziehen.

Exoten im Garten?

Eukalyptus, Kauri, Pohutekawa – wenn exotische Bäume im eigenen Garten gedeihen sollen, kommt es besonders auf die Pflege an. Fragen Sie am besten die Expert*innen in Ihrer Gegend. Sie kennen die Besonderheiten und helfen Ihnen gern weiter. Alle Baumpfleger*innen oder Baumgutachter*innen in Ihrer Nähe finden Sie auf Baumpflegeportal.de!

Fokus auf Gefahrenbeurteilung

Neuseeland stellt Baumkletter*innen vor ganz andere Herausforderungen, als wir es in Deutschland gewohnt sind. Eine Tatsache, die mich nachhaltig beeindruckte und die ich auch in meinem Betrieb umkremple, ist die Gefahrenbeurteilung. Oftmals gehen wir in unserer Heimat damit etwas nachlässig um. In den neuseeländischen Firmen, in denen ich gearbeitet habe, steigt niemand in einen Baum, ohne dass die Hazard ID (engl. für Gefahrenbeurteilung) ausgefüllt und mit allen durchgesprochen worden ist. Das kann schon einmal gerne weit über drei Stunden in Anspruch nehmen.

Bäume aus Felswand entfernt

Auf einer Baustelle mit der wahrscheinlich längsten Gefahrenbeurteilung im Bereich der Baumpflege durfte ich mitarbeiten. Dort waren die Ansprüche an uns Arbeiter *innen extrem hoch: Es sollten Pohutekawa Trees aus einer Felswand mit ca. 80 Metern Höhe entfernt werden, da die Wurzelteller bereits massiv unterspült waren und die Statik der gesamten restlichen Felswand durch einen Geostatiker als nicht gegeben eingestuft wurde. Die besondere Herausforderung bestand zum einen darin, dass nicht klar war, ob man sich oberhalb der Klippe sicher festankern kann. Zum anderen war direkt unterhalb der Felswand ein Spielplatz und knapp links davon ein großes Gebäude mit einer angrenzenden Straße.

Als Auftrag war die Sicherung der Felswand, Fällung der Bäume und Entfernung der Wurzelplatte angedacht. Deshalb waren auch zwei Industriekletterer/Felssicherer mit dabei. Keine leichte Sache also. Nichtsdestotrotz war diese ausführliche Beurteilung durchaus sinnvoll: Die Baumkletter*innen wurden genauso auf die Gefahren und möglichen Probleme hingewiesen, wie die Kolleg*innen am Boden. Jede*r von uns musste die Gefahrenbeurteilung unterschreiben und somit bezeugen, dass er*sie nach bestem Wissen und Gewissen und vor allem nach Absprache handelt.

Fotos: Felix Seidler

Arbeitsschutz in Neuseeland

Erklären kann ich mir dieses Verhalten unter anderem dadurch, dass in Neuseeland der Arbeitsschutz noch ein recht junger Teil der Arbeitswelt ist. Er steckt zwar nicht mehr in den Kinderschuhen, wird aber zunehmend ernster genommen und wächst weiter. Eine Folge davon ist, dass Baustellen dort wirklich niemand ohne Sicherheitsschuhe betritt. Es gibt keine Ausnahme. Wer nach dem Klettern wieder festen Boden unter den Füßen hat, muss seine Kletterschuhe ausziehen und sofort in die Sicherheitsschuhe schlüpfen. In allen Firmen, in denen ich arbeitete, gab es dort keine Ausnahmen und keine Unterschiede.

Sonnencreme als Arbeitsmittel

Zum Arbeitsschutz der Neuseeländer gehört ebenfalls ausreichend Sonnencreme. Die Sonne brennt auf der grünen Insel recht unbarmherzig herunter. Ein trügerischer, leichter Wind kühlt zwar über den ganzen Tag hinweg gefühlt die Temperaturen, jedoch mildert das keinesfalls die Sonneneinstrahlung. Zwischen Klettern und Aufräumen wird also eingecremt. Eine Selbstverständlichkeit für neuseeländische Arbeitgeber*innen, ihre Mitarbeiter*innen mit ausreichend Sonnenschutz zu versorgen.

Eine weitere Selbstverständlichkeit, die ich auf für mich übernehmen werde, ist der Umgang mit dem Personal. Es kam nicht selten vor, dass wir uns zwar um 7:30 Uhr trafen, dann aber noch gemeinsam frühstückten und entspannt in den Tag starteten. Ein Ritual, das ich gerne in unseren Arbeitsalltag integriere.

Unverfälschte Flora und Fauna

Lange Zeit blieben Neuseeland und seine Ureinwohner unentdeckt: Keine äußeren Einflüsse verfälschen die dortige Flora und Fauna. Natürlich schafften es ein paar Arten auf die Insel, die dort nicht heimisch sind. Trotzdem erkennt man noch heute das Ursprüngliche in Neuseeland: Das Dickicht um die Bäume herum ist undurchdringbar und es herrscht ein absolutes Betretungsverbot abseits der Wege. Stadtbäume sind noch relativ jung, da viele Bereiche Neuseelands erst seit kurzem besiedelt sind.

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Baumkletterszene in Neuseeland

Gerade die junge Besiedlung spiegelt sich in der Baumkletterszene wider. Von der grünen Insel kommen einige Baumklettermeister, die sich diesen Titel bei Wettkämpfen zu Recht verdient haben. Die Erfahrung mit Wettkämpfen erhalten sie durch die vielen regionalen Meisterschaften im Land, die notwendig sind, um sich für die nationale Meisterschaft zu qualifizieren.

Die Baumkletterszene Neuseelands ist eine Szene voller Tüftler und Erfinder: Fast jede*r Kolleg*in bastelt selbst am Equipment oder verbessert ständig die eigene Technik. Sie gehen freigeistiger und eigenständiger an die Arbeit heran und probieren das aus, was ihnen für sich und ihre Sicherheit am meisten nutzt.

Visionäre und Baumpioniere

Kompromisslos sind die Neuseeländer bei ihrer Natur. Sie haben ihre Wälder als das wichtigste Gut für die Erhaltung der Artenvielfalt erkannt. Dies liegt auch daran, dass sie in den letzten 200 Jahren knapp 60 Prozent ihrer Wälder einem Kahlschlag unterzogen haben und diese einer Holzwirtschaft mit Monokultur zum Opfer gefallen sind.

Die Regierung reagierte auf die Ausbreitung der Landwirtschaft und die dadurch bedingte, massive Zurückdrängung der Flora und Fauna glücklicherweise bereits 1887 mit der Einrichtung des ersten Nationalparks. Mittlerweile sind fast 30 Prozent des Landes unter Naturschutz gestellt und als Nationalparks für Touristen zugänglich. Nun versuchen sie mit viel Zeit, Kraft, Liebe und Aufklärung, ihre Flora und Fauna zu schützen.

Für Ihre grüne Zukunft!

Sie haben Lust, sich beruflich zu verändern, sind Baumpfleger*in oder auf dem besten Weg, eine*r zu werden? Oder sie haben ein Unternehmen und suchen zur Verstärkung Ihres Teams neue Leute? Wir haben da was für Sie: Die Baumpflegeportal-Stellenbörse. Hier treffen sich Menschen, um ihre berufliche Zukunft neu zu gestalten. Noch Fragen? Dann nehmen Sie direkt zu uns Kontakt auf. Wir gestalten gerne Ihre Zukunft mit!

ALFA Trust – Netzwerk für Bäume

Asher Bowyer, einer meiner Chefs und Inhaber der Firma Ash and Oak, ist auch ein Tüftler und Denker. Seine Gedanken liegen in der Zukunft. Er will kommunale Bäume noch stärker schützen und über deren Wichtigkeit für uns Menschen aufklären. In Neuseeland gründete er zusammen mit anderen Arborist*innen den „ALFA Trust“. Diese gemeinnützige Stiftung plant Events und Workshops rund um das Thema Bäume und Natur. Laien erhalten hier Tipps zur richtigen Baumpflanzung und -pflege. Kinder, Jugendliche und Erwachsene werden gleichermaßen über den gesundheitlichen Wert unserer Bäume aufgeklärt. Er und seine Mitstreiter spannen über die ganze Insel ein grünes Netzwerk, das sich für den Erhalt von Bäumen einsetzt und Menschen dabei hilft.

Grüne Gemeinschaft

Gemeinsam mit seinen Mitstreitern hat Asher Bowyer etwas geschaffen, was uns in Deutschland noch fehlt: Eine grüne unabhängige Gemeinschaft, die sich für Bäume einsetzt. Noch immer werden – egal ob in Deutschland oder in Neuseeland – Bäume gefällt, die erhaltenswert sind und nur fachgerechte Hilfe benötigen. Leider höre ich immer wieder, dass Bäume deshalb gefällt werden, weil sie zu viel „Dreck“ produzieren oder die PV-Anlage durch den Schatten des Baumes zu wenig Strom erzeugt. Oftmals aber wollen Baumeigentümer ihre Bäume auch gar nicht fällen, kennen sich aber zu wenig aus und das Schicksal des Baumes ist besiegelt. „ALFA Trust“ will solchen Fehlurteilen und Unwissen entgegenwirken und die Welt ein wenig grüner und gesünder machen. Sie pflegen z. B. ehrenamtlich Stadtbäume und geben mit ihrem Engagement Bäumen eine Stimme.

Neuseeland als Vorbild

Nicht nur das Land hat mich beeindruckt, sondern auch die Idee von Asher Bowyer und seinen Kolleg*innen. „Jeder Mensch, der in die Sonne geht, weiß, dass er sich zum Schutz einen Hut aufsetzen muss, aber dass der Baum vor seiner Haustüre den Sauerstoff zum Atmen produziert, ist vielen nicht bewusst. Dagegen müssen wir etwas tun“, sagt Asher Bowyer (Founder of ALFA Trust NZ). In Europa fehlt uns eine solche Gemeinschaft, die sich unabhängig von wirtschaftlichen und persönlichen Interessen für die Bäume und die Artenvielfalt einsetzt.

Für die Bäume! Wer macht mit?

Wir möchten bei der breiten Masse das Bewusstsein für Bäume wieder in den Vordergrund rücken, ohne als Treehugger oder Fanatiker abgestempelt zu werden. Wir benötigen eine liberale Stimme. Wer Lust hat, etwas zu verändern und unsere Bäume und Artenvielfalt zu bewahren, kann sich bei mir melden. Lasst uns gemeinsam dafür sorgen, dass wir uns in Zukunft nicht mehr jeden zweiten Tag mit dem klassischen „Der Baum muss weg, der macht zu viel Dreck.“ herumschlagen müssen.

Über den Autor

Felix Seidler ist Gärtnermeister, ausgebildeter Baumkletterer, Baumkontrolleur und Baumgutachter. Der Inhaber von Seidler Baumpflege sieht sich selbst als leidenschaftlichen Baumschützer und sucht Mitstreiter. Sein Ziel: eine europaweite grüne Gemeinschaft etablieren, die sich unabhängig von wirtschaftlichen und persönlichen Interessen für Bäume und Artenvielfalt einsetzt. Da sind Sie dabei? Melden Sie sich bei Felix Seidler unter „info(at)seidler-baumpflege.de“.

Packliste vom Baumkletterer für Baumkletter*innen

Kletterausrüstung:

  • Klettergurt mit allem, was ich auch in Deutschland jeden Tag im Baum dabei habe
  • Helm mit Visier und Gehörschutz
  • 1 DdRT Klettersystem inkl. Kambiumschoner
  • SRT Gerät (ich hatte einen Ropewrench, ist in Neuseeland zugelassen)
  • Stahlseil Kurzsicherung
  • Handsäge (am besten mit originalverpacktem Sägeblatt)
  • Achtung: Steigeisen sind in der Regel vor Ort verfügbar. Wenn allerdings noch Platz im Koffer ist, einfach mit einpacken. Es werden in der Regel viele Bäume gefällt.

PSA:

  • Handschuhe (viele Kiwis klettern ohne, sind also in den Firmen selten verfügbar)
  • leichte Schnittschutzhose (in Neuseeland hat es sehr selten unter 0 C°)
  • Schnittschutzstiefel, die der Sicherheitsklasse S3 entsprechen (ohne Sicherheitsstiefel kein Zutritt zur Baustelle), müssen frei von Erde und Sägespänen sein

Der Autor: Felix Seidler

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