Wer als Kind gern auf Bäume geklettert und noch immer von ihnen fasziniert ist, für den ist die Arbeit als professioneller Baumpfleger/in perfekt. Grünes Verständnis, körperliche Fitness und ein gutes Organisationstalent sind die Voraussetzungen für diesen Beruf. Doch wie funktioniert die Ausbildung? Bisher ist die Baumpflege kein Ausbildungsberuf im eigentlichen Sinne. Dafür verwirren zahlreiche Qualifikationen wie European Tree Worker, European Tree Technician, Fachagrarwirt Baumpflege und Studiengänge. Ein Überblick über die verschiedenen Optionen und Wege zum professionellen Baumpfleger und Baumkletterer.
Was muss ein Baumpfleger können?
Wer in der Krone der Bäume arbeiten will, muss Wissen und spezielle Techniken kombinieren. Um sicher in den Baum zu kommen, benötigt ein professioneller Baumpfleger Kenntnisse und Erfahrung in der Seilklettertechnik. Bereits vom Boden aus sind Ankerpunkte und Stabilität des Baumes zu beurteilen.
In der Krone angekommen, ist die Routine der entscheidende Faktor. Sicherer Umgang mit dem Material im Baum, körperliche Fitness und die richtige Ausrüstung führen zum sicheren Arbeiten. Außerdem ist die Teamfähigkeit eine Schlüsseleigenschaft guter Baumpfleger. Sie dürfen nie alleine auf einer Baustelle arbeiten, sondern müssen mindestens zu zweit sein. Das schreibt die Berufsgenossenschaft vor. Hintergrund ist, dass immer ein Kollege vor Ort ist, der dem Baumpfleger in der Krone in einer Notsituation helfen kann.
Stimmen körperlichen Fähigkeiten und Fitness, fehlt noch das theoretische Wissen um Baum und Baumpflege. Baumpfleger greifen stark ins Wachstum der Bäume ein und müssen wissen, wie der Baum auf Schnitt und Pflege reagiert. Ein Obstbaum reagiert anders als eine Buche, und diese wieder anders als eine Tanne. Das Studium von Baumkrankheiten, Phänologie, Wachstums- und Ertragsgesetzen nimmt deshalb einen großen Platz in der Ausbildung ein. Aufgrund der Fülle unterschiedlicher Themengebiete spezialisieren sich zahlreiche Baumpfleger im späteren Berufsleben auf ein Fachgebiet.
Klettern und Technik
Der SKT-A Kurs
Jede Ausbildung eines Baumpflegers beginnt mit dem SKT-A Kurs. Ausgeschrieben heißt das: Seilklettertechnik Stufe A. Jeder Kursteilnehmer muss einen Ersthelferkurs und eine arbeitsmedizinische Untersuchung vorweisen. Der Einsteigerkurs lehrt die Teilnehmer, wie er vom Boden sicher und kräfteschonend in die Baumkrone klettert. Am Ende des Kurses ist der angehende Baumpfleger in der Lage, jeden Winkel des Baumes gesichert am Seil zu erreichen. Er hat nach eine Kurswoche SKT-A einen Teil der notwendigen Ausrüstung kennengelernt und weiß, wie er einen Kollegen im Notfall aus dem Baum rettet.
Auf den SKT-A Schein folgt die Praxis. 300 Kletterstunden im Baum sind vorgeschrieben, bevor der Baumkletterer den SKT-B Kurs beginnen darf. Vollzeit in einem professionellen Baumpflegebetrieb sind die notwendigen Stunden frühestens innerhalb eines Jahres erklettert. Für einen selbstständigen oder nebenberuflichen Baumpfleger sieht das anders aus. Dennoch ist es für junge Baumpfleger die den SKT-B-Schein erwerben möchten sinnvoll, regelmäßig zu klettern. Denn nach einer Woche Grundkurs im Klettern sind die Techniken noch lange nicht gefestigt.
Der SKT-B Kurs
Hat der junge Baumkletterer seine Techniken vertieft, baut sicher das Seil ein und klettert problemlos zu jedem Ast in der Baumkrone, steht der nächste Schritt an. Die Voraussetzungen im Klettern für den SKT-B Kurs sind erfüllt und die Kurswoche mit der Motorsäge beginnt. Zusätzlich benötigt der Teilnehmer die Motorsägenfachkunde AS-1 oder eine vergleichbare Zertifizierung, einen Ersthelferkurs und eine arbeitsmedizinische Untersuchung.
Im SKT-B Kurs lernen die Teilnehmer mit der Motorsäge Äste und Stammteile abzusägen. Die Ausbilder zeigen, wie der Kletterer abgeschnittene Lasten mit Seilen zum Boden ablassen (Rigging) und Stammstücke von oben nach unten Stückweise absägen kann(Abtragung). Eine Besonderheit ist die stammnahe Fällung. In dieser Situation hat der Kletterer keinen Ankerpunkt mehr, was die Rettung erschwert. Diesem Aspekt widmen die Ausbilder im Kurs daher viel Aufmerksamkeit.
Baumwissen und Baumpflege
Nach den Grundlagen der Klettertechnik und dem Umgang mit der Motorsäge folgen optional der „European Tree Worker“ (ETW) und der „European Tree Technician“ (ETT). Die beiden Lehrgänge bauen aufeinander auf. Um zum ETT zugelassen zu werden, sind drei Jahre Berufserfahrung in der Baumpflege vorausgesetzt. Die einzige Möglichkeit, ohne den vorangegangenen ETW zugelassen zu werden ist eine dreijährige Ausbildung in einem grünen Beruf.
Inhalte sind die Baumbiologie, die Rolle der Wurzeln und des Bodens, Schadensdiagnosen und die Baumpflege. Die Teilnehmer lernen zudem, wie sie die Aufgaben in der Praxis planen, die einzelnen Leistungen abrechnen und die Kosten kalkulieren. Der ETW und der ETT sind europaweit (bis auf wenige, ausgenommene Länder) anerkannt. Ein erfolgreicher Abschluss erleichtert es, europaweit als professioneller Baumpfleger zu arbeiten und Aufträge anzunehmen.
Weiterbildungen und Spezialisierung
Die richtige Ausbildung ist der erste Schritt in ein erfolgreiches Berufsleben. Im Laufe der Zeit stellen sich Vorlieben und Kompetenzen jedes einzelnen Kletterers heraus. Sie bilden die Grundlage für die Spezialisierung. Kletterschulen und grüne Bildungsanstalten bieten zahlreiche Weiterbildungskurse zu unterschiedlichsten Themen an. Ob Artenschutz in der Baumpflege, Baumkontrolle, Obstbaumschnitt oder der Einbau von Kronensicherungen, jeder findet den richtigen Aufbaukurs. Auch auf neue Methoden und Wege, wie die Arbeit mit Pathogenspürhunde, kann man sich als professioneller Baumpfleger spezialisieren.
Rettung als zentrales Thema
Ein professioneller Baumpfleger sollte in regelmäßigen Abständen sein Wissen um die Rettung eines Kollegen auffrischen und sich auf den neusten Stand der Technik bringen. Jährlich denken sich die Profis in der Baumpflege, Ausbilder und Vereine neue Methoden aus, schnell und sicher Verletzte aus der Baumkrone zu retten. Der Rettungsfall ist eine seltene Ausnahme, doch gerade deswegen sind im Alltag die Techniken schnell vergessen. Manch einer wird in seinem Leben nie eine Rettung durchführen müssen. Tritt der Ernstfall jedoch ein, ist jeder froh über einen Kollegen mit genug Routine in der Rettung.
Um immer Up-to-date zu bleiben, bietet die Münchner Baumkletterschule das “Climb-Update” an.
Spezialfall Grüne Berufe
Wer eine abgeschlossene Ausbildung im grünen Bereich hat und drei Jahre Praxiserfahrung vorweisen kann, hat die Möglichkeit den, Fachagrarwirt Baumpflege zu machen. Die Akkreditierungs- und Zulassungsverordnung Arbeitsförderung (AZAV) fördert die viereinhalb Monate lange Ausbildung. Sie beinhaltet die Grundlagen der Baumpflege, Rechtsthemen und Betriebswirtschaft. Auch praktisch lernen die Teilnehmer die Baumpflege direkt am Baum. Die Zusatzqualifikationen zur Arbeit mit der Motorsäge erwirbt jeder Teilnehmer selbstständig. Der Fachagrarwirt Baumpflege bietet nach Abschluss die gleiche Expertise wie der ETT, ist jedoch nur in Deutschland zugelassen.
Die Münchner Baumkletterschule
Die Münchner Baumkletterschule bildet deutschlandweit in den Bereichen Seilklettertechnik, Baumpflege und Arbeitssicherheit aus. Mit mehr als 30 Ausbildern findet fast jede Woche im Jahr an einem der Standorte ein SKT-A und SKT-B Kurs statt.
LVG Heidelberg
Seit 1952 existiert die Lehranstalt für Gartenbau in Heidelberg. Neben typischen Gartenbau-Lehrgängen bietet sie auch zahlreiche Kurse und Fortbildungen für die Baumpflege an. In Kooperation mit der Münchner Baumkletterschule wächst diese Sparte immer mehr an.
Studium der Arboristik
Seit 2003 gibt es in Deutschland das erste Bachelorstudium zur Baumpflege. Der Studiengang Arboristik beschäftigt sich mit der Baumbiologie, der Artenkenntnis baumbewohnender Tiere, Bodenkunde und Klimatologie, Stadtbaummanagement und Baumkontrolle und Kernthemen der Unternehmensführung. Durch die geringe Zahl an Studierenden pro Semestergruppe (40 Personen) gestalten die Professoren den Unterricht praxisnah und erziehen eine individuelle Lernbetreuung. Neben der Selbstständigkeit in der Baumpflege bietet der Studiengang den Absolventen die Chance, in Planungsbüros, Naturschutzämtern oder Landschaftsbaubetrieben zu arbeiten.
Quellen:
- Kletterblatt, Kurszeitschrift der Münchner Baumkletterschule 2019, erhältlich bei Kletterblatt.de
- Informationen über die Kurse der Münchner Baumkletterschule
- Informationen über die Kurse der LVG Heidelberg
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Hallo, ich bin bereits 38, aber köperlich fit und sehr gut im Klettern. Macht es in dem Alter noch Sinn, eine derartige Ausbildung zu beginnen? Vielen Dank für ihre Antwort
Hallo Joachim,
vielen Dank für Ihre Anfrage. Körperliche Fitness, Geschicklichkeit und Spaß am Klettern sind auf jeden Fall gute Voraussetzungen, um eine Fortbildung zum Baumkletterer in Angriff zu nehmen. Empfehlenswert ist eine medizinische Eignungsuntersuchung für Arbeiten mit Absturzgefahr / Höhenarbeit durch einen Facharzt für Arbeitsmedizin. Suchen Sie außerdem den Austausch mit erfahrenen Baumkletterern. Diese können Ihnen aus eigenem Erleben über Anforderungen und Belastungen auch mit zunehmendem Alter Auskunft geben. Detaillierte Informationen bieten professionelle Baumkletterschulen. Hier erhalten Sie fachliche Beratung und können Einsteiger-Kurse belegen, die tiefere Einblicke erlauben. Eine wichtige Rolle bei allen Überlegungen spielt natürlich, ob Sie nur gelegentlich oder in der Freizeit als Baumkletterer tätig sein wollen oder sogar eine gewerbliche Tätigkeit in Vollzeit anstreben. Ob diese Tätigkeit für Sie persönlich die richtige berufliche Perspektive ist, können letztlich nur Sie allein entscheiden. Viel Erfolg!
Herzliche Grüße
Ihr Team vom Baumpflegeportal