Das CODIT-Prinzip

Das CODIT-Prinzip bildet die Grundlage der modernen Baumpflege und entwickelte sich im Zuge neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse. In den 1990er Jahren lösten die neue Ideen zur Baumpflege von Alex Shigo endgültig die bis dahin praktizierte Baumchirurgie ab. Seither hat sich in der Praxis vieles verändert. Der Schnitt nach dem Codit-Prinzip orientiert sich an den Regeln der Wundabschottung der Bäume und bezieht die Wachstumsreaktionen des Baumes auf den Schnitt mit ein.

Die Zeit der Baumchirurgie

Bevor Alex Shigo die Wundreaktion von Bäumen erforschte, behandelten die „Baumchirurgen“ Bäume, als wären sie Tiere oder Menschen. Wunden säuberten sie, die Schnitte erfolgten glatt und totes Gewebe entfernt. Zu guter Letzt strichen sie die Schnitte und Höhlungen mit Wundverschlussmitteln ein, um eine Art „Wundverband“ zu kreieren. Damit wollten sie verhindern, dass Pilzen und Bakterien in die Wundstelle eindringen.

Stand der Technik war, bis aufs gesunde Holz faule Stellen an Bäume auszuhöhlen. Dabei entstanden riesige Wunden, die mit Gewindestangen gesichert wurden. Um die Standsicherheit zu gewährleisten, mauerten die Baumpflegefirmen hohle Stämme aus oder füllten sie mit Beton.

Von der Chirurgie zur Baumpflege

Vorreiter der modernen Baumpflege ist Alex Shigo. 1984 stellte er erstmals in Heidelberg sein CODIT – Prinzip vor. CODIT ist die verkürzte Form von „Compartmentalisation of Damage in Trees“, was „Abschottung von Schäden in Bäumen“ bedeutet. Er erklärte damit die Zusammenhänge in der Wundreaktion der Bäume. Dieses Ereignis war der Auslöser für weitere Forschungsaufträge und in der Folge der Weg in eine neue Baumpflege. Prof. Dirk Dujesiefken gründete darauf das Institut für Baumpflege in Hamburg. Das Umdenken kam mehr und mehr in Schwung und fand auch in der täglichen Arbeit der Baumpfleger Anklang.

Passive Abwehr

Bereits bevor der Schaden entsteht, sorgt jeder Baum vor. Passive Abwehreinrichtungen helfen, potentiellen Schäden wie Pilzbefall oder Insekten vorzubeugen. Die Baumrinde ist der wichtigste Mechansimus, mit dem sich Bäume gegen Insekten, Pilzen und sonstige „Feinde“ wehren. Sie ist abhängig von der Baumart mehrere Zellschichten dick und fast undurchdringbar. Erst wenn die Rinde durch Schnitt oder ander Schäden verletzt ist, dringen Pathogene ein.

Der zweite passive Schutzwall ist nur bei einigen Baumarten vorhanden: das Kernholz. Echtes Kernholz besteht aus toten Zellen in der Stammmitte, die mit Kernstoffen (toxische Phenole) angefüllt sind. Pilze zersetzen diese Zellen nur schwer und die Kernfäule schreitet deshlab langsam fort. Die Standsicherheit bei Bäumen mit echtem Kernholz ist oft deutlich länger gegeben, nachdem Pilze sie besiedeln, als bei Bäumen mit Falschkern oder reinem Splintholz.

Baumarten und ihre Kernbildung

KERNHOLZSPLINZHOLZFALSCHKERN
KieferBirkeKirsche
EicheErleEsche
EdelkastanieLindeBuche
LärcheAhornWeide
RobinieWeißbuchePappel

Aktive Abwehr

Sobald eine Wunde am Baum entsteht, laufen zahlreiche voneinander unabhängige Mechanismen ab. Durch den Lufteintritt beginnt der Baum die Wunde von außen zu überwallen und das gesunden Gewebes nach innen abzuschotten. Nur wenn beide Strategien funktionieren, ist die Abwehr der Schadorganismen erfolgreich.

Schutz gegen Luftembolien

Ist ein Schaden an lebenden Zellen entstanden, dringt Luft ins Gewebe ein. Das führt dazu, dass diese Zellen kein Wasser mehr leiten und infolge desse absterben. Diese Embolien breiten sich aus, da Zellen miteinander verbrunden sind. Das Ziel des Baumes besteht deshalb darin, die Verbindung zu angrenzenden Zellen zu kappen. Nadelhölzer verschließen die zwischen den Zellen angebrachten Hoftüpfel und bilden zustäzlich traumatische Harzkanäle, um den befallenen Bereich zu verschließen. Laubbäume besitzen keine Tüpfel zwischen den Zellen. Sie verschließen angrenzende Zellen durch Thyllen. Sie wachen in die Zelle hinein und verschließen diese Luftdicht.

Ist das Holz an der Oberfläche der Wunde abgestorben, besiedeln Organismen wie holzzersetzende Pilze das Holz. Nach und nach wandern Sie in den Holzkörper ein und bauen Holz ab. Es beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit. Nur, wenn der Baum rechtzeitig die Grenzschicht fertigstellt, hindert er den Pilz, sich weiter auszubreiten. Sie schottet das gesunde Gewebe vom Pilz ab. Sobald sich die Überwallungswülste in der Mitte der Wunde treffen, ist der Pilz vollständig eingekapselt. Durch Sauerstoffmangel stirbt dieser ab.

Die richtige Pflege (k)eine einfache Sache?

Unsere Baumexperten machen aus der richtigen Baumpflege kein Geheimnis. Wer Hilfe braucht, seinen Baum gesund zu erhalten und ihn richtig zu pflegen, findet über die Suchfunktion des Baumpflegeportals schnell eine/n qualifizierte/n und erfahrene/n Baumpfleger/in.

Die Überwallung der Wunde nach außen

Die Kambiumzellen (bei beispielsweise Eiche und Buche), beziehungsweise die Bastzellen (bei Pappel) am Wundrand bilden das neue Kallusgewebe. Dieses Gewebe teilt sich und schiebt damit eine Überwallungswulst über die toten Zellen der Wunde. Dieser Prozess beginntan allen Seiten der Wunde und trifft sich in der Mitte. Je größer die Wunde, desto länger dauert es, bis der Wundkallus vollständig ist.

Abschottung des gesunden Holzes nach innen

Das Kambium bildet überall in Wundnähe vermehrt Parenchymzellen. Diese Schicht ist teilweise mehrere Zellen dick und ist durch einen geringen Anteil an Leitgefäßen äußerst reaktionsfreudig. Bei Nadelbäumen beinhalten diese Barrierezonen zudem vermehrt Harzkanäle. Der Baum bereitet sich mit diesen Vorkehrungen auf einen Angriff vor. Durchbricht ein Schadorganismus diese Barrierezonen, füllen sich deren Zellen mit antimikrobiellen Substanzen. Sind diese vollständig ausgefüllt, endet oft der Versuch des Organismus, in den Baum einzudringen.

Der Flächenkallus

Eine besondere Form der Überwallung einer Wunde bildet der Flächenkallus. Er schiebt sich nicht von den Rändernausgehende über die Wunde, sondern bedeckt die Wunde flächig. Möglich ist diese effektive Form der Überwallung durch lebende Zellen an der Wunde. Gerade bei Anfahrtschäden ist lediglich die Rinde verletzt, das darunter liegende Gewebe bildet daraufhin den Flächenkallus.

Gerade bei Anfahrtschäden hat sich ein Verfahren durchgesetzt, dass die Bildung des Flächenkallus zum Ziel hat. Die Wunde wird großflächig mit schwarzer Folie gegen Austrocknung und UV-Strahlung geschützt und bildet anschließend innerhalb einer Vegetationsperiode den Flächenkallus. Selbst große Wunden verschließen sich damit bis zum ersten Winter vollständig, abhängig vom Zeitpunkt des Schadens.

Ein Wettlauf gegen die Zeit

Schafft der Baum es lange Zeit nicht, die Wunde vollsltändig zu überwallen, bleibt der Pilz aktiv. Immer wieder greift er die Grenzschicht an, bis er sie durchbricht. Der Baum reagiert mit einer neuen Grenzschicht und das Spiel beginnt erneut. Erst, wenn der Pilz im Kernholz angekommen ist, reagiert der Baum nicht mehr. Zwar ist das Kernholz durch Einlagerung von Zellstoffen weniger schnell zersetzbar, dennoch sind die toten Zellen nicht mehr in der Lage den Pilz einzudämmen. Der Weg nach oben und unten ist bis in die Wurzeln und die Krone frei. Pilze, die bis hierhin durchdringen, höhlen den Baum aus.

Überwallung gegen Pilzwachstum: Ein Wettlauf gegen die Zeit.
Das CODIT-Prinzip
Ein hohler Baum muss aber noch lange nicht Bruch- oder Sturzgefährdet sein. Solange der Baum durch sein Dickenwachstum im Kambium schneller Holz zubaut, als der Pilz abbaut, bleibt die Restwandstärke erhalten. Viele Bäume leben mit ihrem Pilz über Jahrzehnte hinweg.

Die Phasen des CODIT-Prinzips

1. Phase: Luft dringt ein

Durch Lufteintritt sterben die Zellen ab. Der Baum bildet Wundkallus und eine Barrierezone und beginnt mit der Abschottung.

2. Phase: Schaderreger dringen ein

Die Organismen dringen bis zur Barrierezone und bis zum abgeschotteten Gewebe vor. Die Überwallungswulst schiebt sich weiter über die Wunde.

3. Phase: Ausbreitung des Schaderregers

Durchbricht der Erreger die Grenzschicht, bildet sich eine neue. Die Barrierezone bildet vermehrt Inhaltsstoffe und schottet sich effektiv ab. Die Überwallungswülste wachsen weiter aufeinander zu.

4. Phase: Einkapseln des Schaderregers

Treffen sich die Überwallungswülste in der Mitte, ist der Erreger zwischen dem Wundholz und der Grenzschicht eingekapselt. Durch Sauerstoffmangel sterben holzzersetzende Pilze ab und bilden keine Gefahr mehr.

Baumpflege nach dem CODIT-Prinzip

Das Wissen um die Abwehrreaktionen des Baumes hilft Baumpflegern, fachgerechte Schnitte durchzuführen. Dabei spielen sowohl der Ort im Baum (Krone oder Stamm), die Jahreszeit und die Schnittmethoden eine Rolle. Im Buch „Das CODIT-Prinzip“ beschreiben Dujesiefken und Liese genau, wie Baumpfleger sich dieses Wissen zunutze machen können. Fachgerechte Baumpflege ermöglicht eine effektive Abschottung und führt zu gesunden und vitalen Bäumen.

Die Autorin: Marina Winkler

Ähnliche Artikel auf dem Baumpflegeportal:

Anzeige
Anzeige
Anzeige
0 Antworten

DEIN KOMMENTAR

An Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns Deinen Kommentar!

Name*

Website


Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.