Workshop-Thema bei den Osnabrücker Baumpflegetagen am 6.9.2017

Zielgerichteter Schnitt – im Sommer wie im Winter

EINFÜHRUNG

Der Titel des Workshops „Zielgerichteter Schnitt – im Sommer wie im Winter“ auf den Osnabrücker Baumpflegetagen spricht schon Bände und bestätigt erneut, Baumpflege-Fachleute sprechen oft von „Sommer“, wenn sie „Vegetationszeit“ meinen und es fällt kaum auf, dass die Jahreszeiten reduziert werden auf Sommer und Winter. Der Titel wurde vom Veranstalter für meinen Workshop formuliert und veröffentlicht, ohne finalisierte Freigabe durch mich. Mit großer Wahrscheinlichkeit haben wir im Vorfeld in Gesprächen nicht ordentlich auf die Begrifflichkeiten geachtet. Nicht weiter schlimm, die meisten wissen, was gemeint ist. Es ist jedoch bezeichnend für das begriffliche Durcheinander und die damit verbundene fahrlässige Vermischung bzw. Gleichstellung von „Schnitt während der Vegetation“ und „Sommerschnitt“, was in der Baumpflege sehr verbreitet ist. Das sollten wir ändern. Der Workshop soll dazu beitragen.“

ZIEL DES WORKSHOPS

Der Workshop soll helfen, das Bewusstsein der Teilnehmer hinsichtlich Schnittzeiten zu erweitern. Die sprachliche Benennung bzw. Begrifflichkeiten sollen geschärft und präzisiert werden. Teilnehmer sollen dazu befähigen werden, sich in der Baumpflege-Fachwelt in die Schnittzeit-Diskussion konstruktiv und selbstbewusst einbringen zu können. Sie sollen künftig für die wichtige Differenzierung der einzelnen Vegetationsphasen in Zusammenhang mit Schnittmaßnahmen werben. Der Workshop und die folgenden Veröffentlichungen zu diesem Workshop sollen dazu beitragen, eine umfassendere und differenziertere Betrachtung der Schnittzeiten in der Baumpflege zu etablieren.

Für den Workshop wird eine Hypothese aufgestellt, die der Referent widerlegen möchte:

„Schnitt während der Vegetation ist für Baumschnitt am günstigsten!“

Der Referent behauptet, die aufgestellte Hypothese ist nicht nur „falsch“, sondern auch gefährlich vereinfacht. Er versucht dies durch eigene Beobachtungen, Praxiserfahrungen und Überlegungen zu begründen.

Der Workshop soll Erkenntnisse darüber erweitern, wie sich Schnittmaßnahmen in den unterschiedlichen Jahreszeiten und Lebensaltersphasen auswirken und welche Bedeutung die Schnittzeiten für die Erreichung von Zielen haben. Es werden weitere – zum Teil erstmals veröffentlichte – Ansätze aufgezeigt, wie Bäume durch Schnittmaßnahmen in der Entwicklung gelenkt werden können, auch – aber nicht nur – abhängig von der Schnittzeit.

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ABLAUF WORKSHOP

ARBEIT IN KLEINGRUPPEN – ZUSAMMENTRAGEN VON EXPERTENWISSEN

„Was sagen und lehren die Baumpflege-Experten?“

Zunächst wird anhand der von den Teilnehmern mitgebrachten Literatur (Fachbücher, Baumgutachten, Fachartikel) in Kleingruppen zusammen getragen, welche Informationen über Schnittzeiten vorhanden sind.

VORTRAG UND DISKUSSIONEN

In Vortragsform werden verschiedene Herleitungen und Argumentationsketten vornehmlich aus der Praxiserfahrung des Referenten zusammen getragen und mit Praxisbeispielen untermauert. Diese werden mit den Teilnehmern diskutiert und mit Erfahrungen der Teilnehmer verglichen.

MITZUBRINGEN

Teilnehmer sollen zum Workshop folgende Unterlagen mitbringen (sofern vorhanden):

  • Fachbücher über Baumschnitt/Obstbaumschnitt (aus dem eigenen Fundus)
  • Baumgutachten, mit Rückschnittforderung (eigene Gutachten oder Fremdgutachten)
  • Fachartikel über Baumschnitt generell (auch Jungbaumschnitt)

VORTRAG UND DISKUSSIONEN

Eigentlich ist doch alles klar! Wirklich? In Sachen Schnittzeit in der Baumpflege hat eine „wissenschaftliche“ Arbeit (veröffentlicht in einer wissenschaftlichen Fachzeitschrift) dazu geführt, dass hauptsächlich „Wundreaktionen“ als Kriterium für die Wahl des für die Baumentwicklung günstigsten Schnittzeitraumes genannt wird. Das vermutet und behauptet der Referent und stellt diese vorgelegte Veröffentlichung zugleich in Frage. Er unternimmt den Versuch zu erklären, was zu diesem Denken geführt hat und wieso er der Meinung ist, die Aussagen und Schlüsse dieser vorgelegten Untersuchung müssen hinterfragt und neu überprüft werden.

PHYSIOLOGIE DER BÄUME

Der Organismus Baum hat Produzenten und Konsumenten. Wer gibt und wer nimmt, das unterliegt keinen starren Gesetzmäßigkeiten. Wer oder was in der Entwicklung bzw. in der Verteilung der Assimilate den Vorzug erhält, das hängt von vielen Faktoren ab und ändert sich nicht nur im Jahresverlauf. Diese „Sink-Source-Dynamik“ im Jahresverlauf und in den einzelnen Lebensphasen müssen bei der Auswahl der Schnittzeiten beachtet werden, will man die negativen Auswirkungen minimieren oder die Reaktionen des Baumes positiv beeinflussen.

Lebensalter, Jahreszeiten, äußere und innere Einflüsse bzw. Ereignisse (z.B. Baumschnitt) wirken sich auf die Baumphysiologie aus. Die Wechselwirkung zwischen Geben (Produzent bzw. Source) und Nehmen (Konsumenten bzw. Sink) sind komplex und dynamisch, sowohl qualitativ als auch quantitativ. Wer Bäume schneidet zwingt den Baum, die aktuelle Produktion und Verteilung der Nährstoffe neu zu regeln.

WIEDERKEHRENDE ABLÄUFE BEI BÄUMEN IM JAHRESVERLAUF

Längenwachstum, Dickenwachstum, Wurzelwachstum, Blattentwicklung, Blütenbildung, Fruchtbildung
Bedeutung von:

  • Reservestoffkreislauf im Jahresverlauf
  • Wundabschottung und Kallusbildung
  • Schädlinge
  • Witterung

Lebensphasen der Bäume und Veränderungen in der Reaktion auf Schnittmaßnahmen und Verletzungen

Ziele beim Baumschnitt

  • Externe Ziele
  • Ziele, den Baum betreffend

Baumpflege-Maßnahmen

Schnitt ist nur eine von vielen Baumpflegemaßnahmen. Auflistung und Bewertung der Bedeutung von Maßnahmen, die Einfluss haben auf Ziele.

  • Was kann durch Schnitt erreicht werden?
  • Höhe, Ausbreitung, Verkehrssicherheit, Lebenserwartung, Blühen und Fruchten, Erziehung von bestimmten Kronenformen wie z.B. Alleebäume mit definiertem Lichtraumprofil, Bäume mit reduzierter Windlast etc.
  • Welche Schnittarten gibt es?

Das Wuchspotential – Der Schlüssel zum Schnitterfolg

  • Vom Wuchsgesetz zum Wuchspotential (Bilharz unveröffentlicht)
  • Alte und neue Kenntnisse über das Wuchspotential
  • Das Isobarenmodell (Bilharz unveröffentlicht)
  • Die Knospenverteilung (Bilharz unveröffentlicht)
  • Der Schlankschnitt (Bilharz)

DAS WORKSHOP-VERSPRECHEN

Jedem seine eigene Schnittmethode – Weg vom Rezept, hin zur individuellen Lösung durch Kenntnisse über die Wuchspotentiale und die Anwendung dieses Wissens. Ob Hamburger Schnittmethode für Jungbäume oder Niederländer Modell für Alleebäume mit hohem Kronenansatz, ob Retrenchment-Pruning oder Obstbaumschnitt. Wer die Wuchspotentiale einzusetzen weiß, braucht keine Rezepte zur Erreichung von Zielen, sondern kann sich die geeignete Methode auch für bisher unbekannte Baumschnitt-Ziele selbst herleiten (und benennen und berühmt werden)

SCHLUSSBETRACHTUNG

GEMEINSAME BEWERTUNG VON AKTUELLEM FACHWISSEN

Bewertung der zu Anfang des Workshops zusammen gestellten Publikationen durch Schulnoten. In die Bewertung fließen ein:

  • Findet das Thema „Schnittzeit“ ausreichend Erwähnung?
  • Wird die Bedeutung der Schnittzeiten umfassend erkannt und gewürdigt?
  • Werden Schnittzeiten in die Vorgaben von Schnittmaßnahmen einbezogen?

Am Ende bewerten die Teilnehmer den Referenten und stimmen darüber ab, ob er seine anfänglich gemachte Aussage untermauern, bzw. die anfänglich aufgestellte Hypothese zumindest argumentativ widerlegen konnte. (Der endgültige Beweis kann durch Erzählung von Erfahrungen nicht erbracht werden. Den Gegenbeweis liefert die Praxis. Theorien können irren, die Wirklichkeit nicht.)

ÖFFENTLICHE DISKUSSION UND OFFENLEGUNG

Ergebnisse und Inhalte des Workshops veröffentlicht der Referenten nach dem Workshop auf dem Baumpflegeportal. Nach dem Workshop beleuchtet der Referent weitere Aspekte und stellt Hintergründe bereit. Der Inhalt dieses Beitrages wird dynamisch angepasst und fortentwickelt.

Referent: Johannes Bilharz

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