Die Frage:
Stummel entfernen ohne Astschutzzone zu verletzen?
An einem rund 25 Jahre alten Nussbaum (Brusthöhendurchmesser: ungefähr 45 Zentimeter) wurde an einem unteren, starken Ast ein Nebenast mit etwa 15 Zentimeter Durchmesser vor ungefähr zwei Jahren abgesägt. Dabei wurde (leider) ein circa 30 Zentimeter langer Stummel stehen gelassen. Kann man diesen noch bis auf den Astkragen abschneiden oder entfernt man damit auch die bereits gebildete Abschottungszone? Wo ist die Abschottung in diesem Fall genau: auch am Astkragen oder bereits weiter vorne/außen? Kann der Baum in diesem Fall die neue Wunde noch abschotten oder hat er dafür dort keine aktiven Zellen mehr zur Verfügung?
Die Antwort:
Lebendes Gewebe nicht verletzen
Der abgestorbene Ast kann problemlos geschnitten werden – und zwar so nahe wie möglich am Astring (lebendes Holz an der Astbasis). Aber Achtung: Das lebende Gewebe darf dabei nicht verletzt werden!
Astschutzzone und Astkragen
Die Astschutzzone liegt eher hinter dem Astkragen, kann aber durchaus bis in den Stummel hineinreichen. Zwischen dem außen sichtbaren Aststummel und dem umschlossenen inneren Astgewebe (Astkern) bildet sich bei absterbendem Holz die Astschutzzone (die Effektivität der Zone ist abhängig von der Baumart). Diese sollte man auf keinen Fall zerstören bzw. entfernen. Schneidet man den Stummel zurück auf den Astkragen, dürfte das aber kaum ein Problem darstellen.
Entfernung der Astschutzzone
Wird die Astschutzzone entfernt, kann sich nicht erneut eine Schutzzone bilden. Denn was tot ist, kann nicht mehr reagieren. Die Zone bildet sich bei absterbenden Ästen, solange das Holz noch lebt. Theoretisch könnten beim Abbau der Holzzellen durch Mikroorganismen irgendwelche Stoffwechselprodukte entstehen, die eine „Imprägnierung“ bewirken. Aber das ist eher sehr theoretisch und unwahrscheinlich.
Alex Shigo: „Baumschnitt“
Alex Shigo empfiehlt in seinem Buch „Baumschnitt“, keine toten Stummel stehen zu lassen, weil sie Nährboden für Schadorganismen sind. Er geht sogar noch weiter und meint, dass man es auch vermeiden sollte, lebende Stummel stehen zu lassen: Diese haben kein Abwehrsystem und können somit leicht von Organismen attackiert werden. Außerdem können sich diese Schadorganismen dann leicht weiter ausbreiten.
Totes Holz wird zersetzt
Fault das innere, abgestorbene Astgewebe irgendwann ein, bzw. stirbt der Ast langsam ab, dann hat der Baum hoffentlich genug Zeit gehabt, Schutzgrenzen zwischen abgestorbenem und lebendem Gewebe gebildet zu haben.
Alles was tot ist, wird irgendwann zersetzt. Ist eine Schnittfläche zu groß, um schnell genug vollständig überwallt zu werden, bildet sich deshalb früher oder später eine Höhlung. Das stellt bei richtiger Schnittführung jedoch kein allzu großes Problem für den Baum dar – solange die Schutzzonen wirksam sind. Bei falscher Schnittführung, Entfernung der Astschutzzone oder erneuter Verletzung kann das ein schnelles Vordringen von Schadorganismen nach sich ziehen.
Richtiger Schnitt „Ja“, falscher Schnitt „Nein“. Rote Pfeile = Astschutzzonen, schwarze Pfeile = Schutzgrenzen.
Der Autor: Johannes Bilharz
Ihr Baumpfleger vor Ort hilft Ihnen gern weiter!
Alle Baumpfleger in Ihrer Nähe finden Sie auf Baumpflegeportal.de! Über die Suchfunktion des Baumpflegeportals finden Sie schnell einen qualifizierten Baumpfleger.