Hilfe, der Apfelbaum blüht nicht!

Blatt_Frage

Unsere Leserin fragt sich, warum ihr junger Apfelbaum nicht blüht und wie sie ihn richtig schneidet: „Ich habe meinen Apfelbaum vor sieben Jahren gepflanzt, ein einziges Mal hat er geblüht, Früchte hat er nie gebildet. Es ist eine alte Sorte eines Cox Orange. Er wurde standortgerecht gepflanzt und geschnitten, aber seitdem bildet er nur Wasseräste und hinterlässt Fragezeichen. Auch nachdem Alfred, ein richtiger Apfelbaumexperte, während einer Grillparty zur Baumschere griff und den Baum fachgerecht geschnitten hat. Eine Idee?“

Fotos: B. Kanzian

Ihr Apfelbaum ist kein Versager

Blatt_Antwort

Da pflanzt man voller Freude einen Apfelbaum und wird enttäuscht: Der Apfelbaum blüht nicht und trägt keine Früchte. So ein Versager! So könnte man meinen. Aber so einfach ist es nicht. Jeder Apfelbaum trägt Früchte – irgendwann. Um Früchte zu tragen, braucht es zwei Voraussetzungen:

  1. die Pflanze muss blühen,
  2. die Pflanze muss befruchtet werden.

Grundsätzlich gibt es keine Pflanzen, die nicht blühen. In Bezug auf das Blühen ist es ähnlich wie bei uns Menschen: es kann eine Weile dauern, bis eine Pflanze „geschlechtsreif“ wird und Blüten ansetzt.

Wann blüht ein Baum zum ersten Mal?

Wie lange ein Baum dazu braucht, bis er zum ersten Mal richtig blüht, das wiederum hängt wesentlich von den Genen ab. Obstbäumchen, die aus der Baumschule stammen, sind meist auf schwachwachsende geeignete Wurzeln veredelt. Schwacher Wuchs bedeutet meist auch kurze Jugendphase. Diese Bäumchen bringen oft schon nach 2 oder drei Jahren die ersten Blüten. Starkwüchsige Obstbäume, das sind oft Bäume, die entweder auf starkwüchsigen Wurzeln veredelt wurden (gerne im Streuobstbau verwendet) oder gar aus dem Kern gezogen wurden.

Aus dem Kern gezogene Bäume gibt es in der Baumschule so gut wie nicht, weil durch die generative Vermehrung (Durchmischung des Erbmaterials) erst nach Jahren deutlich wird, ob die Früchte taugen oder nicht. Die Chancen auf brauchbare Früchte sind gering (man nennt das dann „Zufallssämlinge“). Bei Zwetschgen und Pfirsichen sind die Chancen auf brauchbare Früchte bei generativer Vermehrung zumindest nicht schlecht.

Nun, um zu wissen, warum das Apfelbäumchen keine Früchte trägt, braucht es lediglich die Antwort darauf, ob das Bäumchen schon mal geblüht hat oder nicht. Hat es noch nie geblüht, oder nur ein paar wenige Blüten, liegt es daran, dass es noch zu jung ist. Die Lösung ist: abwarten!

Der Einfluss des Schnittes

Einzig, man kann natürlich durch Schnitt die Sache ungewollt verzögern und auch später immer wieder falsch machen. Auf den zur Verfügung gestellten Bildern sehe ich sehr viele einjährige längere Äste. Das sieht so aus, als ob jemand radikal geschnitten hätte und dadurch starken Austrieb provoziert hat. Blüten kommen beim Apfelbaum jedoch nur aus der obersten Spitzenknospe einjähriger Äste. Die Ausnahmen erwähne ich an dieser Stelle nicht, das bringt nur Verwirrung. Nur so viel sei gesagt, dass die Blüten immer an einjährigen Ästen sind. Dieser Zuwachs kann so gering sein, dass es scheint, als wachsen die Knospen an zweijährigen Ästen, weshalb man in fast allen Obstschnittbüchern (fälschlicherweise) liest und allgemein auch bei Experten davon spricht, dass die Blüten an zwei oder dreijährigen Ästen sind. Botanisch ist und bleibt das falsch.

Von Apfelblüte bis Zugversuch

Irgendwie wissen Sie nicht genau, was Ihr Baum hat? Welkes Laub, kaum Blüten und insgesamt sah er schon einmal besser aus: Wer kann Ihnen überhaupt sagen, wie es um die Gesundheit Ihres Baumes bestellt ist? Das sagen Ihnen unsere grünen Profis: Über die Suchfunktion des Baumpflegeportals finden Sie schnell eine*n qualifizierte*n und erfahrene*n Baumpfleger*in in Ihrer Nähe. Sie beurteilen nicht nur Ihren Baum, sondern helfen Ihnen dabei, ihn gesund zu erhalten.

Von der Knospe zur Blüte

Blüten gibt es bei Apfelbäumen erst dann, wenn der Baum geschlechtsreif ist (s. oben) und dann auch nur an der Endknospe am einjährigen Ast, wenn dieser ca. im Juli des Vorjahres das Längenwachstum beendet hatte. Denn nur, wenn das Wachstum beendet und das Längenwachstum mit einer Endknospe abgeschlossen ist, kann sich eine Blütenknospe bilden. Denn um diese Zeit entscheidet der Herrgott (oder die Fraugöttin), ob die Knospe Blatt- oder Blütenknospe wird. Ja, richtig gelesen und erkannt: Blütenknospen werden bei Äpfeln im Vorjahr gebildet. Wachsen also die Äste bis in den Herbst, war zum Zeitpunkt der Blütenknospendifferenzierung noch gar keine Knospe vorhanden und somit gibt es auch keine Blütenknospe an diesem Ast. Wer zu spät kommt…
Wird das „Erwachsenenalter“ erreicht, bringt das Bäumchen zuverlässig Blüten. Ob viele oder wenige, das hängt vom richtigen Schnitt ab und bei vielen Apfelsorten auch vom Vorjahresertrag. Das aber ist ein anderes Thema (Alternanz), zu dem es viel zu sagen gibt.

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Warum es keine Früchte gibt

Hat das betrachtete Apfelbäumchen schon mal geblüht, bringt jedoch keine Früchte, liegt es an der Befruchtung. Die Befruchtung wiederum hängt ebenfalls von verschiedenen Faktoren ab (wie so oft ist es eben komplexer als man denkt):

  • Steht während der Blütenzeit ein geeigneter Pollen zur Verfügung?
  • Ist die Witterung geeignet, um die Bestäubung durch Insekten zu gewährleisten?
  • Gibt es während der kälteempfindlichen Phase während der Blüte Frost?

Die meisten Apfelbäumchen brauchen Fremdpollen. Es müssen also geeignete Apfelsorten in der Umgebung stehen, die zum Einen zur gleichen Zeit blühen und zum anderen geeignet sind für die Befruchtung. Welche Bäume miteinander gut können, das weiß im Zweifel Ihre Baumschule des Vertrauens. Wenn das Bäumchen also jedes Jahr blüht, aber nie Früchte bringt, liegt es zweifellos am fehlenden Befruchter, einem geeigneten Apfelbaum in der Nähe. Wenn es blüht, aber nur manchmal keine Früchte trägt, liegt es am schlechten Wetter (kein Insektenflug) oder Frost (Absterben der Blüte).

Fotos 1 und 3: B. Kanzian

Warum die Blüte ausbleibt

Den Bildern nach zu urteilen liegt die „Unfruchtbarkeit“ bei ihrem Bäumchen vermutlich sowohl daran, dass es noch zu jung ist, aber wird höchstwahrscheinlich auch begünstigt durch falschen Schnitt. Sie sollten aufhören, alle einjährigen Äste im Winter abzuschneiden. Damit schneiden Sie potentielle Blüten weg. Denn es braucht einjährige Ästchen für die Blüten.

Solange das Bäumchen noch jung und klein ist, sollten Sie jedoch erst mal nicht so sehr auf die Früchte, sondern eher auf ein stabiles Kronengerüst ihre Aufmerksamkeit lenken. Anhand der dünnen unteren Äste erkenne ich, dass „Alfred“ bei der Grillparty geflunkert hat, was den Expertenstatus für Apfelbäume angeht. So hart es klingt und auch wenn es wehtut, muss ich klar sagen, so schneidet kein Experte. Die Gerüstäste verkümmern bereits und der Rest besteht nur aus einjährigen kräftigen Neutrieben.

Nur die Äste, die als Gerüstäste dienen sollen, werden angeschnitten, wodurch das Dickenwachstum angeregt wird. Ich bevorzuge steile Gerüstäste und lasse nach außen Fruchtast-Balkone wachsen. Unten länger, verzweigter und stärker, oben dünner und weniger verzweigt auslaufend (ohne Anschnitt). Das nenne ich „Schlankschnitt“. Aber das ist ein eigenes umfangreiches Thema.

Mein Fazit

Für Ihr Apfelbäumchen trifft höchstwahrscheinlich dies zu: Der Baum hat noch nie (oder nur sehr bescheiden) geblüht und ist daher noch zu jung (Jugendphase abhängig von Baumart, Baumsorte, Veredlungswurzel). Falscher Schnitt verzögert die Blütenbildung zusätzlich.Waren schon mal mehr als vereinzelte Blüten vorhanden, aber es gab noch nie Früchte, war es während der Blüte zu kalt, zu nass oder es fehlt an einer geeigneten Bestäubersorte in der näheren Umgebung.

Aus der Praxis

Ein Kunde beauftragt mich, seinen Zwetschgenbaum zu schneiden. Der Baum war schon fast 20 Jahre alt und sehr stattlich (so ca. 7 bis 8 Meter hoch und sehr voluminös). Der Baum hätte noch nie geblüht, meinte der Kunde. Ich habe den Baum natürlich gekonnt und perfekt geschnitten und gefördert (ohne ihn zu verstümmeln oder radikal zu kappen). Im nächsten Jahr hat er so stark geblüht, dass der Kunde mich bis heute als Experten verehrt. Nur Ihnen als treue Leser*innen des Baumpflegeportals verrate ich, es war nicht in erster Linie mein Schnitt – der zweifellos perfekt war -, es war das Alter des Baumes. Es ist bekannt bei starkwüchsigen Zwetschgenbäumen, die wild aus dem Kern gewachsen sind (das war bei diesem Exemplar wohl der Fall), dass sie eine sehr lange Jugendphase haben können. In diesem Beispiel waren das fast 20 Jahre. Es war eben Zufall, dass ich ein Jahr vor der ersten Blüte als Experte hinzugezogen wurde. Was soll ich sagen, das Lob habe ich mitgenommen. Es hat mein Ego gestreichelt. Der Baum hat natürlich nicht wegen meines Schnittes geblüht. Aber Sie kennen das vielleicht: Wer kann auf der Grillparty schon widerstehen, als Apfelbaumexperte bei einer von der Natur begeisterten Gastgeberin zu punkten und von Ihr in den höchsten Tönen gelobt zu werden. Da kann ich Alfred nur zu gut verstehen.

Der Autor Johannes Bilharz

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  1. Mein Apfelbäumchen: statt Versager ein Spätzünder - über_Land - […] gesamte Expertise von Johannes Bilharz gibt es hier […]

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