Stadtbäume zwischen Evolution und Technik

Stadtbäume beeinflussen mit ihren Wohlfahrtswirkungen das Stadtklima positiv und sind daher für das Leben und die Gesundheit der Menschen unverzichtbar. Um zu überleben, haben Bäume gelernt, sich mit ungünstigen Standortbedingungen zu arrangieren: Ihre „intelligenten Tricks“ wenden sie auch in der Stadt an.

Denn in Straßen ist es gerade unterirdisch sehr oft sehr eng – zum Beispiel durch Rohre. Konflikte zwischen den Wurzeln der Straßenbäume, die hier auch wachsen müssen und den technischen Einrichtungen sind nicht immer zu vermeiden. Trotzdem ist es wichtig, Bäume als gleichwertiges Gut zur Wasser- und Energieversorgung und der Abwasserentsorgung zu betrachten.

Situation in den Städten heute

Viele Städte und Metropolen wachsen rasant. Weltweit leben immer mehr Menschen in diesen Gebilden aus Beton, Stein und Asphalt – in Deutschland mehr als 70 Prozent der Bevölkerung. Ein Blick in die Stadtzentren zeigt ein ziemlich „buntes Treiben“ motorisierter Verkehrsmittel aller Art. In ihren Motoren verbrennen sie Kraftstoffe und erzeugen so Kohlendioxyd und viele andere gesundheits- und umweltbelastende Gase. Brems- und Kupplungsbeläge, Reifen und allerlei sonstiges Material werden verschlissen und zerfallen zu Staub. Nicht zu vergessen die Emissionen aus der Industrie. Mit jedem Atemzug inhalieren wir diese Staubpartikel.

Stadtbäume zwischen Evolution und Technik
Stadtbäume zwischen Evolution und Technik

Das kann Menschen krank machen oder indirekt sogar zum Tod führen. Von der Zunahme von Allergien über Bronchialerkrankungen bis hin zu Krebs – viele Krankheiten werden auf die Luftverschmutzung zurückgeführt. Das menschliche Leid in Folge derartiger Erkrankungen und der daraus resultierende volkswirtschaftliche Schaden sind immens. Da die Politik oft erst bei bereits eingetretenen Schäden reagiert, anstatt vorbeugend tätig zu werden, kann wohl von einer massiven Bedrohung der Gesundheit ausgegangen werden.

Selbstverständlich ist es am wirkungsvollsten, die Entstehung solcher Emissionen zu vermeiden. Die Reduzierung des Verkehrs, der Ausbau des ÖPNV und die Verwendung von Rußpartikelfiltern können das Stadtklima entlasten. Aber trotzdem verschmutzt die Zivilisation die Luft in gigantischem Ausmaß. Eine wichtige Rolle bei der Verbesserung des Stadtklimas spielen Bäume und Grünanlagen in unseren Städten.

Wohlfahrtswirkungen von Bäumen

Die grünen Riesen gehören zu den ältesten Lebensformen unseres Planeten. Sie begleiten und versorgen uns von Anfang an bis heute mit dem Wichtigsten, was wir zum Leben brauchen. Ihr Holz begleitet uns sprichwörtlich von der Wiege bis zum Sarg. Ihre Früchte sichern unsere Ernährung und ihr Laub sorgt für die Fruchtbarkeit unserer Böden.

Oft übersieht der „moderne Mensch“ das und ärgert sich aus unterschiedlichen Gründen über Bäume. Dabei sollten wir dankbar sein für ihre Schönheit. Wir sollten uns erinnern, dass sie uns die Luft zum Atmen schenken, indem sie Kohlendioxid aufnehmen und Sauerstoff freisetzen, durch Verdunstung die Luftfeuchtigkeit erhöhen, und die Temperatur in ihrem Schatten verringern. In seinem Buch „Baum und Mensch“ macht Bernatzky zusätzliche Angaben zur Wohlfahrtswirkung von Bäumen: Unglaublich, welche Schadstoffmengen – ob gasförmig oder Staubpartikel – von Bäumen und Gehölzen aus der Luft gefiltert werden!

In Umfragen zur Einschätzung der Lebensqualität in Städten äußern viele Menschen regelmäßig, dass ihnen das „Grün“ sehr wichtig sei. Sie wollen eine grüne Umgebung und große, alte Bäume in ihrer Nähe, weil sie deren wohltuende Wirkung für ihr Wohlbefinden spüren. Alle Verantwortlichen und auch Politiker sollten das bedenken und danach handeln – auch im Interesse der Wirtschaft. Als „weicher Standortfaktor“ hat die Durchgrünung einer Stadt einen nicht unerheblichen Einfluss auf die Ansiedlung neuer Unternehmen.

Baumwurzeln

Die Wurzeln entziehen sich in der Regel unseren Blicken und werden deshalb hin und wieder einfach vergessen. Doch von ihrer Gesundheit und Funktionsfähigkeit hängt die Existenz des ganzen Baums ab. Ihr Volumen muss in einem ausgewogenen Verhältnis zu dem der Krone stehen. Nur dann ist der Baum im „Gleichgewicht“ und kann die vielfältigen Wohlfahrtswirkungen erbringen.

Eines ist allen Baumarten gemeinsam: Die Wurzeln wachsen bevorzugt dort, wo sie ein gutes Angebot an Sauerstoff (und Feuchtigkeit) vorfinden. Denn auch Bäume müssen atmen. Ist der Sauerstoffgehalt im Boden zu gering, sterben die Wurzeln ab und nachfolgend auch der „oberirdische Baum“. Bei der Erforschung des Wurzelwachstums ist deutlich geworden, dass man Wurzeln „lenken“ kann (Heidger 2002). Bietet man ihnen ein gut durchlüftetes, grobporiges Substrat an, das sie bevorzugt durchwurzeln, kann man sie aus anderen Bereichen, in denen Wurzeln nicht willkommen sind, „heraushalten“. Das hilft bei Baumpflanzungen in der Stadt unter anderem beim Schutz von Leitungen.

Wenn keine optimalen Voraussetzungen herrschen, reagieren Bäume mit „intelligenten Tricks“. Können sie nicht in die Tiefe wachsen, bilden sie flachere Wurzelteller aus. Die reichen dann aber deutlich weiter als üblich über die Krone hinaus. Wenn es sein muss, durchqueren sie auch große Hohlräume auf ihrer Suche nach Wasser und Nährstoffen. In der Stadt können diese „Überlebensstrategien“ zu Konflikten mit Kanalrohren oder Gasleitungen führen.

Bäume und Leitungen

Die Menschen unserer Zeit benötigen nicht nur Parks und möglichst viele Bäume in direkter Nachbarschaft. Sie erwarten auch ein eine funktionierende Strom- und Wasserversorgung. Das wird überwiegend unterirdisch sichergestellt. Die Leitungen befinden sich bevorzugt unter dem Straßenraum oder sonstigen öffentliche Flächen. Der unterirdische Straßenraum ist horizontal und bezüglich der Tiefe der Leitungen aufgeteilt. Da der Bereich unter der Fahrbahn ausgeschlossen ist, drängen sich Rohre, Kabel und Leitungen unter Geh- und Radwegen und Parkstreifen. Genau das sind aber auch die Bereiche, die für Straßenbäume in Frage kommen und wo deren Wurzeln „zu Hause“ sind.

Wahrscheinlich würden Baumwurzeln den Bereich von Leitungen meiden, wenn diese von sehr dichtem, feinporigem Material umgeben wären. Es wäre vermutlich gar nicht so schwierig, Wurzeln so zu „dirigieren“, wie es die Gegebenheiten nahe legen (Heidger 2002). Vielleicht liegt ein Lösungsansatz in der Optimierung des Bodengemisches, dass Rohre und Leitungen umgibt (zum Beispiel DERNOTON®). Um Konflikte zu vermeiden, sollte in der Nähe empfindlicher Rohre und Leitungen auf Baumarten, die bekanntermaßen über eine „hohe Wurzelenergie“ verfügen, verzichtet werden – wie zum Beispiel Pappeln, Weiden und Platanen.

Am einfachsten wäre es, die „problematischen Nachbarn“ technische Einrichtungen und Bäume, vor allem deren Wurzeln, möglichst weit voneinander entfernt zu platzieren. Doch Städte sind eng, Grundstückspreise hoch und kaum ein Stadtplaner hat es in letzter Zeit gewagt, Baumstreifen in ausreichender Breite, frei von Leitungen, vorzuschlagen. So kommt es zu den bekannten Problemen.

Konfliktpotenzial

Die betroffenen Dienststellen reagieren unterschiedlich auf die zweifelsohne „unschönen“ Begleiterscheinungen des Wurzelwachstums: Die „Techniker“ legen die Priorität auf Versorgungssicherheit, die Unversehrtheit der Rohre und auf Haftungsfragen zum Beispiel bei undicht gewordenen Gasleitungen. Die „Baumleute“ reklamieren, dass Bäume „nicht anders können“ und fordern mehr Platz für Baumpflanzungen.

1989 wurden die „Technischen Mitteilungen Baumpflanzungen im Bereich unterirdischer Versorgungsanlagen“ von der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen herausgebracht. Auch wenn auf den ersten Blick ein Interessenausgleich Ziel zu sein scheint, kann nicht geleugnet werden, dass die „Väter“ ganz überwiegend aus dem technischen Sektor stammen und die technische Infrastruktur gegenüber Bäumen bevorzugt wird.

Zwar wird anerkannt, dass die Abstände von Bäumen zu Leitungen nicht immer entsprechend den Vorgaben eingehalten werden können. Aber gleichzeitig werden so viele Risiken aufgeführt, dass das zu großer Verunsicherung führt. Wer gibt schon seine Zustimmung zur Baumpflanzung, wenn das Regelwerk die „Erhöhung der Blitzgefahr für unterirdische Versorgungsanlagen durch die Ableitefunktion der Bäume“ problematisiert?

Andererseits: Wenn es im Untergrund mal wirklich eng wird, ist es möglich, eine Leitung direkt unter einem alten Baum „durchzuschießen“. Das Schutzrohr wird’s schon richten. Wollen die „Baumleute“ aber hin und wieder einen Baum direkt auf eine Leitung pflanzen, gilt dies immer noch als Sakrileg. Obwohl es durchaus Argumente für eine solche Platzierung gibt und auch hier ein Schutzrohr dem Baum nicht schaden würde.

Dabei ist es doch so, dass die Versorgung mit Energie und Wasser und die Entsorgung von Abwässern durch entsprechende Infrastruktur sowie die Versorgung mit Frischluft und die Entsorgung von Luftschadstoffen durch Bäume und Grünanlagen gleichwertige Rechtsgüter sind! Der Verzicht auf Bäume ist grundsätzlich keine Alternative.

Zusammenarbeit ersetzt Konfrontation

Ein erster, aber wichtiger Schritt ist es, die Sorgen der jeweils anderen Seite ernst zu nehmen und der entsprechenden Sichtweise mit Respekt zu begegnen. Die „Baumseite“ sollte der „Technikseite“ vermitteln,

  • dass Bäume nur das umsetzen, was sie im Lauf der Evolution „gelernt“ haben,
  • dass sie ihre Grenzen haben
  • und dass es trotz aller Regelwerke nicht die Schuld der Bäume ist, wenn sich Probleme mit technischer Infrastruktur ergeben.

Die „Baumseite“ wiederum kann von der „Technikseite“ viel lernen über

  • Materialeigenschaften,
  • die Installation unterschiedlicher Ver- und Entsorgungseinrichtungen,
  • Unterhaltungsprobleme,
  • Beschädigungen und
  • Sorgen bezüglich persönlicher Haftung bei Unfällen.

Kurzfristig können bestehende Probleme minimiert werden, wenn alle Verantwortlichen ein besonderes Augenmerk auf die korrekte Installation der Anlagen legen. Verkantete, nicht richtig zusammengefügte Leitungen oder solche, bei denen die Dichtungen schon beim Einbau verschmutzt oder beschädigt wurden, sind für Baumwurzeln sprichwörtliche „Scheunentore“ – die Annahme dieses Angebotes ist dann nur eine Frage von Monaten oder wenigen Jahren.

Aber auch planerische Aspekte dürfen nicht übersehen werden. So sollte es ein Grundsatz interdisziplinärer Zusammenarbeit auch in den Kommunen sein, die jeweils andere Seite über die durchzuführenden Maßnahmen zu informieren und diese untereinander abzustimmen. Auf der einen Seite können gefährliche ober- und unterirdische Verletzungen von Bäumen vermieden werden. Auf der anderen Seite lassen sich durch die Auswahl der zu pflanzenden Baumarten und der geeigneten Standorte viele Probleme minimieren wie das Risiko von Wurzeleinwachsungen in Leitungen.

Gekürzt, Original: Jahrbuch der Baumpflege 2005, S. 109ff; veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung des Autors

Der Autor: Klaus Schröder

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Quellen:

  • Bernatzky, A.: Baum und Mensch. Verlag Waldemar Kramer, Frankfurt am Main 1973
  • Heidger, C.: Wurzeln sind lenkbar! Optimierungsmöglichkeiten im Wurzelraum von Straßenbäumen. Tagungsband Osnabrücker Baumpflegetage 2002
  • Technische Mitteilungen Baumpflanzungen im Bereich unterirdischer Versorgungsanlagen: Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen, Köln 1989
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