Was leisten Scanner in der Baumpflege?

„Bringen Scanner in der Baumpflege einen Vorteil?“ Diese Frage stand am Anfang eines Versuches des Baumpflegeportals. Einfache Fotos sind durch die perspektivische Verzerrung und unterschiedliche Aufnahmewinkel für Dokumentationen oder Schulungen meist unbrauchbar. Initiiert und begleitet vom Baumpflegeportal testeten Johannes Bilharz und Alfred Wörle (Scan-Experte an der LWF) durch einen Scan-Versuch an einem Apfelbaum, ob die 3D Bilder aus Laser-Scannern besser abschneiden.

Laser-Scanner im Einsatz

Die Vermessungstechnik durch Laser-Scanner ist aus der modernen Bauindustrie nicht wegzudenken. Im Forst spart die Technik Zeit und Geld. Die Vollaufnahme von Baumbeständen ist nur eine Möglichkeit, die schon jetzt auf Versuchsflächen und Naturschutzgebieten Anwendung findet. In der Baumpflege sind sie noch nicht im Einsatz.

Das Testgerät

Für den Versuch setze das Team die MS 50 Totalstation von Leica ein. Sie besteht aus einem Laserscanner, einem Tachymeter und einem GPS-Empfänger, der auf ein bis drei Zentimeter genau arbeitet. Zusätzlich nimmt die eingebaute Kamera vor jedem Scan Fotos des gesamten Areals in hoher Auflösung auf.

Der Scanner scannt alle Objekte bis zu einer Entfernung von 300 Metern ab. Um einen Einzelbaum als 3D-Bild aufzunehmen, sind drei bis vier Scans rund um den Baum nötig. Insgesamt dauert die Aufnahme etwa eine Stunde. Durch die exakte Vermessung der Standpunkte, setzt das Programm später am Computer die einzelnen Scans zu einem Gesamtbild zusammen.

Versuchsobjekt: Apfelbaum

Als Testbaum diente ein freistehender Apfelbaum in einem kleinen Garten. Johannes Bilharz pflegt den Baum seit einigen Jahren regelmäßig. Die lichte Krone ist für den Scan-Versuch optimal geeignet, da die Veränderungen der Äste durch den Schnitt gut zu sehen sind.

Anfang 2018 fanden die ersten beiden Scans des Apfelbaumes statt. Der erste Scan erfolgte vor, der zweite nach dem Baumschnitt. Die Vermessungspunkte blieben für eine möglichst hohe Vergleichbarkeit der beiden Messungen gleich. Zwischen den beiden Aufnahmen liegen wenige Tage, damit die Auswirkungen von Wetter und sonstigen äußeren Einflüssen auf den Baum möglichst gering sind.

Datenerhebung am Computer

Ein Baumscan liefert viele Daten, die anschließend aus den Bildern und Punktewolken am Computer extrahiert werden. Schnell lassen sich daraus zahlreiche Daten ermitteln. Neben den Basisdaten wie Baumhöhe, Stammdurchmesser und Kronenradius ermittelt das Programm „Cloud Compare“ Kronen- und Stammradien in jeder Höhe, Kronenschirmflächen, sowie Abholzigkeit, Stammvolumen, Holzmasse der Äste und zahlreiche weitere Kennzahlen.

Erkenntnisse aus dem Versuch

Die aufgenommene Punktewolke am Computer ist beeindruckend. Das imaginäre Bild des Baumes lässt sich mit der Maus in alle Richtungen drehen und sogar ein visuelles „Eintauchen“ in den Baum ist möglich. Dadurch ist nicht wie bei einem 2D-Fotos die Mehrzahl der Äste verdeckt, sondern jede Verzweigung findet sich im 3D-Bild wieder. Der Betrachter kann auch die Vogel- oder Maulwurfperspektive wählen. Durch die Vermessung liegen die Punktewolken passgenau übereinander. Unterschiedliche Farben zeigen an, welcher Ast zu welchem Bild gehört. Die blaue Farbe beschreibt Punkte, die in beiden Scans identisch sind. Die Farben grün, gelb und rot sind nur im ersten Scan vorhanden und beschreiben die durch die Pflegemaßnahme abgeschnittenen Äste. Der Baum ist als dreidimensionales Gebilde zu einem bestimmten Zeitpunkt bis in jede Astspitze archiviert.

Reduktion der Kronenschirmfläche

Die Kronenschirmfläche lässt sich einfach über die Vogelperspektive errechnen. Vor dem Schnitt betrug sie acht Quadratmeter, nach dem Schnitt nur noch 7,4 Quadratmeter. Der Verlust von mehr als einem halben Quadratmeter Kronenschirmfläche zeigt den Einfluss des Schnittes auf den Baum und seine Umgebung. Die beiden Aufnahmen der Baumkrone von oben vor und nach dem Schnitt lassen sich gut vergleichen. Sie zeigen genau, welche Äste in der Peripherie beschnitten wurden. Interessant wird dieselbe Perspektive im nächsten Jahr. Sie wird zeigen, welche Äste der Baum neu gebildet oder verlängert hat, wo und wie stark die Zuwächse waren und gibt eine Aussage darüber, ob er seine ehemalige Schirmfläche wieder erreicht, über- oder unterschreitet.

Veränderungen der Baumphysiologie und Baumstatik

Obwohl Johannes Bilharz den Apfelbaum regelmäßig pflegt, zeigt der Scan viele einzelne Schnitte. Bei genauer Betrachtung der Schnitte zeigt sich ein unerwartetes Bild: die geschnittenen Äste richteten sich nach dem Schnitt auf! Die Punktewolken zeigen vor allem bei weit ausladenden, eher waagerechten Ästen einen Versatz um mehrere Zentimeter. Eine Veränderung, die sich auf die Baumstatik auswirkt.

Weitere Tests in den kommenden Jahren sollen zeigen, ob diese Veränderungen tatsächlich Einfluss auf die Statik des Baumes haben. Durch die übereinandergelegten Punktewolken werden Kippbewegungen, absinkende Äste oder die Zubildung von Holz schnell sichtbar. Die eindeutige Vergleichbarkeit der Aufnahmen ist hier der wichtigste Vorteil des Scans. Fotos werden oft aus unterschiedlichen Winkeln gemacht, bei reinen Sichtkontrollen bleiben schleichende Prozesse meist unbemerkt. Ein Frühwarnsystem also, das es nur richtig zu interpretieren gilt.

Neue Scanner ebnen den Weg für die Baumpflege

Trotz der Fülle an Daten, bleibt ein Problem für die Praxis: Der verwendete Scanner ist groß, schwer und kann nur mit viel Erfahrung positioniert und eingestellt werden. Die Vermessung der GPS-Punkte ist aufwendig und bei drei bis vier Standorten pro Baum kaum praxistauglich für die tägliche Arbeit. Die Scanner der neuen Generation jedoch sind einfacher und schneller zu bedienen. Sie brauchen nur noch wenige Minuten für den gesamten Baumscan und kommen mit ein bis zwei Standorten aus. Die Bilder werden durch Photogrammetrie zusammengesetzt, was die genaue Vermessung der Standorte überflüssig macht. Die Geräte sind kleiner und leichter und nach kurzer Einarbeitung von jedem zu bedienen. Sie stellen die Zukunft dar und sind auch für den Einsatz in der Baumkontrolle geeignet.

Möglichkeiten von Scans in der Baumpflege

Scans stellen dreidimensional einen Baum bis in die feinsten Verästelungen dar. Der Betrachter kann ihn in alle Richtungen drehen und wenden, und Vorher mit Nachher vergleichen. Die Bilder zeigen ob sich das „Baumzentrum“ verschiebt oder durch den Schnitt ins Ungleichgewicht gerät. Der Scan dokumentiert die Reaktion des Baumes nach einem Schnitt, seine Standfestigkeit, Problemstellen und seine Schiefe über Jahre hinweg. Für Baumbesitzer und Kommunen könnte das Vorteile in der Baumkontrolle und Katasterführung bieten. Für Baumpfleger und Baumbesitzer erleichtert es im Falle von Schadensersatz oder der Überprüfung baumpflegerischer Maßnahmen die Beweissicherung. Mittels Baumscans ist es vorstellbar, Baumpflegemaßnahmen am Computer zu planen oder bei Kranfällungen die Gewichte von Baumabschnitten schon vorab genau und sicher festzulegen. Einzelbaumscans bieten neue Möglichkeiten der Weiterbildung, indem Baumpfleger ihre Maßnahmen besser beobachten, daraus lernen, und die Erkenntnisse an junge Baumpfleger weitergeben.

Digitalisierung im Dienste des Baumes – das ist Baumpflege 4.0!

Kletterblatt 2019

Dieser Artikel ist auch im Kletterblatt 2019 erschienen, der Kurszeitschrift Münchner Baumkletterschule. Erscheinungsdatum: November 2018

Kletterblatt 2019
Kletterblatt 2019

Die Autorin: Marina Winkler

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