Pflege von Bäumen mit geringem Abstand zum Haus

Nicht selten stehen große Bäume zu nah am Haus. Sie wurden ohne ausreichenden Mindestabstand zur Hauswand gepflanzt und werden später, mit zunehmender Größe, zum Problem. Ob man einen Baum, der sehr hoch werden und einen beträchtlichen Stammumfang ausbilden kann, zweieinhalb Meter neben einem Haus duldet, muss jeder für sich selbst entscheiden. Denn dem Haus schaden die Wurzeln eigentlich nicht, sofern das Mauerwerk keine Risse hat.

Wer aber Angst vor Laub oder einer verstopften Dachrinne hat, keinen Schatten mag oder unbedingt Gemüse anpflanzen oder ein Blumenbeet anlegen möchte, wird mit einem Großbaum mit wenig Abstand zum Haus nicht glücklich. Auch bei Renovierung und Sanierungsarbeiten steht eine ausladende Baumkrone dem Kran oder Gerüst im Weg. Wenn Sie den Baum jedoch erhalten möchten, können Sie ihn durch sinnvolle, begleitende Schnittmaßnahmen neben dem Haus wachsen lassen.

Ein fried-, stil- und kunstvoller Hausbegleiter

Nehmen wir einmal an, Sie wohnen in einem normalen Einfamilienhaus, neben dem ein 10 bis 15 Jahre alter Baum steht. Bei wenigen Metern Abstand macht es wenig Sinn, auf Hausseite unterhalb des Daches langfristig Äste zu erhalten. Doch bis die Krone über dem Dach ist, braucht es für das Baumwachstum Blätter (Assimilations-Fabriken) und die sind nun mal an Ästen bzw. Zweigen. Solange also der Baum noch keine finale Krone ausgebildet hat, braucht es deshalb am ganzen Stamm Äste, auch an der Hauswand. Die dürfen aber nicht zu dick werden. Denn müssen dicke Äste am Stamm später entfernt werden, verursacht das Faulstellen. Das gilt es zu verhindern. Wie aber bringt man das unter einen Hut?

Der richtige Schnitt

Fachgerechter Schnitt ist die Lösung. Doch was fachgerecht ist, das hängt vom Ziel ab. Damit die Äste entlang der Hauswand nicht zu dick werden, müssen sie in der Ast-Hierarchie untergeordnet werden. Gelingt dies, bleiben sie im Verhältnis zum Stamm dünn und können später – wenn die Krone über dem Dach ausgebildet ist – entfernt werden, ohne große Schnittstellen zu hinterlassen.

Die gewünschte Hierarchie ergibt sich durch Hemmung oder Förderung der entsprechenden Wuchspotenziale. Im konkreten Fall an der Hauswand müssen Wuchspotenziale unten gehemmt und oben gefördert werden. Äste unten sollen dünn bleiben und nicht so weit nach außen reichen (maximal so weit ausladend wie die oberen Äste). Die Blatt- bzw. Knospenmasse sollte maximal so groß sein wie in der oberen Kronenhälfte.

Ähnlich wie beim Strauchschnitt schneidet man unten älteres Holz tendenziell raus und fördert jüngere und schwächere Triebe. Das bremst diese Äste im Dickenwachstum. Trotzdem verbleiben genügend Blätter, um das Dickenwachstum des Stammes und das Höhenwachstum zu unterstützen. Denn Blattmasse ist wichtig. Solange die obere finale Krone noch nicht ausgebildet ist, braucht es auch die Blätter der ursprünglichen Äste, die zwar bei der Pflanzung die Baumkrone ausgemacht haben, die aber später am Stamm entfernt werden sollen.

Im oberen Kronenbereich wachsen lassen

Damit der Baum munter nach oben treibt, darf auf keinen Fall oben stark freigestellt bzw. ausgelichtet werden. Viele machen den Fehler, die Erziehung so umzusetzen, wie sie das in Obstschnittkursen gelernt haben. Das wäre fatal. Denn in diesem Fall muss Konkurrenz gefördert werden. Der Baum soll schnell nach oben wachsen (Konkurrenzphase). Während dieser Konkurrenzphase werden lediglich diejenigen Konkurrenzäste im oberen Bereich entfernt, die später beim Baumerhalt Probleme bereiten könnten. Das ist z. B. dann der Fall, wenn sich zwei Stämmlinge nicht über die Vorherrschaft einigen können und sich zu nah bedrängen. Die Konkurrenz wäre in diesem Fall zwar hilfreich, aber zum einen möchten die meisten nur einen Hauptstämmling, zum anderen besteht bei späterem Dickenwachstum und größerem Umfang vor allem bei Druckzwiesel (V-Zwiesel) irgendwann die Gefahr eines Astausbruchs. Ansonsten im oberen Kronenbereich eher weniger schneiden und wachsen lassen. Daher ist das Motto an der Hauswand mit hohem Kronenansatz: Bei der Erziehung unten viel schneiden (unterordnen) und oben wenig (Konkurrenz zulassen).

Obstbaumschnitt – aus Fehlern lernen

Wie dieses Ziel erreicht werden kann, unten wenig Wuchs und oben viel Wuchs zu bekommen, kann ausgerechnet an falsch oder wenig geschnittenen Streuobstbäumen beobachtet werden. Was bei diesen Obstbäumen falsch gelaufen ist, ist genau das, was wir an der Hauswand brauchen. Bei solch falsch geschnittenen Obstbäumen sind die eigentlich als stabiles Kronengerüst erzogenen unteren Äste oft verkümmert und im Vergleich zu den oberen Ästen zu dünn. Grund dafür ist, die Obstbäume wurden nur oder hauptsächlich unten geschnitten, die ursprünglich als Gerüstäste erzogene Krone wurde zu schnell flach geschnitten und der kräftige Wuchs nach oben nicht eingedämmt.

Ich stelle mir das so vor, beim Schnitt stand jemand mit der Säge vor dem Baum, wusste nicht wo anfangen und fängt deshalb einfach schon mal dort an, wo man leicht hinkommt oder die zu kurze Leiter günstig hinstellen kann, sozusagen von unten und innen nach oben. Einfach mal alles rausschneiden und schwache Triebe entfernen. So beobachte ich das auch in meinen Schnittkursen. Oben und in der Peripherie hingegen wird der Schnitt unterlassen, weil es zu mühsam oder unmöglich ist, die Äste mit der Schere und Säge zu erreichen. Die Folge: Die unteren Astpartien bleiben dünn und kümmerlich und der Obstbaum bildet oben dickes Holz und einen Überbau und Astverhau.

Stabile Krone über dem Dachgiebel

Obstbaumlaien und vermeintliche Fachleute glauben oft, sie könnten auf diese kümmerlichen Äste im unteren Bereich verzichten, weil sie keinen Ertrag bringen. Diese kümmerlichen Äste werden entfernt und so wird der Kronenansatz immer weiter nach oben verlagert. Folglich werden Pflege und Ernte immer beschwerlicher. Eigentlich wünscht man sich bei Obstbäumen das Gegenteil: unten ein stabiles Astgerüst und oben eine offene Krone.

Was beim Obstbaum erwünscht ist, wäre für den Baum am Haus fatal. Denn entlang der Hauswand sollen die Äste schwach bleiben. Erst weiter oben, vielleicht sogar über dem Dachgiebel, soll sich eine stabile Krone ausbilden. Es liegt also nahe, dass es auch umgekehrt gilt: Was beim Obstbaum falsch ist, könnte für den Baum am Haus genau das richtige Vorgehen bedeuten. Und so ist es!

Das Ziel entscheidet

Das Ziel mit dem Baum am Haus ist hier ähnlich wie bei Straßenbäumen. Bei Straßenbäumen gibt es die Vorschrift des Lichtraumprofils. Das muss so hoch sein, dass LKWs problemlos drunter durchfahren können. Die Äste der Bäume dürfen deshalb maximal bis zu einer Höhe von 4,5 Meter hinunter reichen (bei Fußwegen etwas tiefer). Das bedeutet, die Krone (Starkäste) dürfen frühestens oberhalb des Lichtraumprofils (beginnend ab 4,5 Meter Höhe) ansetzen. Problem dabei ist, die gewünschten Äste, die später die stabile Krone begründen, sind bei der Pflanzung oft noch gar nicht „geboren“. Alles was wir bei der Pflanzung an Baumkrone sehen, soll später beim ausgewachsenen Baum gar nicht mehr vorhanden sein. Trotzdem verkünsteln sich viele bei der Pflanzung mit einem Erziehungsschnitt à la Obstbäume. In diesem Fall genau die falsche Taktik!

Baumkrone entwickeln durch Aufasten

Der Baum braucht zum Wachsen zwar die Energie aus den Blättern dieser anfänglich noch vorhandenen Äste. Diese anfangs vorhandene Baumkrone ist jedoch nur temporär und soll nur solange bleiben, bis der Baum hoch genug ist und sich die spätere Krone entwickelt hat und entfalten kann. Danach haben diese Äste am Stamm unterhalb der eigentlichen Krone ausgedient und sollen bzw. können entfernt werden. Fachleute nennen das „Aufasten“.

Leider werden bei der Pflege auch von Fachleuten oft die Fehler gemacht, die unteren Äste nach dem Vorbild der Obstbäume zu erziehen. Folge: Die Straßenbäume bilden unten stabile Äste, weil versäumt wird, die Äste in der Hierarchie unterzuordnen. Die Folge ist, Äste wachsen im Dickenwachstum ähnlich schnell wie der Stamm. Wenn später die unteren Äste (bzw. die Blattmasse dieser Äste) nicht mehr benötigt und entfernt werden („Aufasten“), hinterlässt der Schnitt eine große Schnittwunde am Stamm, die später zur Faulhöhle wird und das an einer zentralen und für die Gesundheit und Standfestigkeit wichtigen Stelle.

Untere Äste unterordnen

Merke: Das Ziel ist immer entscheidend dafür, welche Schnittmaßnahmen passend sind. Beim Obstbaum will man unten ein stabiles Astgerüst, also müssen diese Äste in der Hierarchie gefördert werden. Bei Straßenbäumen und in diesem Fall an der Hauswand ist es umgekehrt: die unteren Äste müssen in der Hierarchie untergeordnet werden bis zu der Höhe, wo sich später die Krone entwickeln soll. Sie hinken im Dickenwachstum im Vergleich zum Stamm hinterher und das sollen sie auch. Werden sie später entfernt, ist die Schnittfläche am Stamm klein und harmlos.

Alles hat zwei Seiten – auch der Baum

Während auf der dem Haus zugewandten Baumseite das Dach die Höhe des finalen Kronenansatzes bestimmt, haben Sie auf der vom Haus abgewandten Seite die freie Wahl, in welcher Höhe der untere Kronenansatz sein soll. Ab der Höhe, wo die unteren Kronenäste beginnen sollen, ordnet man die Äste nicht mehr in der Wuchshierarchie unter, sondern lässt sie über den Kronenrand hinaus wachsen. Die Krone kann sich nun frei und baumtypisch entfalten.

Entfernen der Äste am Stamm unterhalb der Krone

Die Äste am späteren Stamm können dann entfernt werden, sobald die spätere Baumkrone genug Blattmasse erreicht hat, um sich eigenständig und vital zu entwickeln. Die Blattmasse der stammnahen Äste unterhalb des gewünschten Kronenansatzes wird dann nicht mehr benötigt. Wurde alles richtig gemacht, sind diese temporären Äste dünn geblieben und hinterlassen beim Entfernen keine großen Schnittstellen am Stamm. Diese Astpartien entfernt man am besten im Sommer (Juli/August). Ungefähr ab Juli treiben keine neuen Äste mehr aus. (Das ist natürlich von Baumart zu Baumart unterschiedlich.) Gleichzeitig verhindert man in diesem Zeitraum die Einlagerung von Reservestoffen. Diese würden um die Schnittstelle herum nur unnötig den Neuaustrieb im nächsten Frühjahr fördern. In diesem Falle also nicht im Winter schneiden, denn dann sind die Reservestoffe auf ihrem Höchststand. Starker in diesem speziellen Falle unerwünschter Austrieb wäre die Folge!

Weitere Pflegemaßnahmen

Sobald der Baum seine gewünschte Höhe erreicht hat, beschränkt sich der Schnitt auf gelegentliches Auslichten und leichte Baumpflege-Eingriffe. Das Kronenvolumen lässt sich durch baumschonenden Schlankschnitt (natürlich und baumtypisches Auslaufen lassen im Feinastbereich) konstant halten. Auf keinen Fall durch Kappung versuchen, den Baum klein zu halten. Kappungen (Einkürzen der dickeren Äste durch Absägen mitten im Astverlauf) hinterlassen große Schnittflächen, die gefährliche Faulstellen nach sich ziehen. Wer keine Angst vor hohen Bäumen hat, lässt die Krone auf natürliche Weise weiterwachsen und beschränkt die Arbeit auf gelegentliche Kronenpflege.

Baum zu mächtig? Profi holen!

Natürlich ändert sich ab diesem Stadium das Ziel und mit dem Ziel auch die Schnitt- und Pflegemaßnahmen. Und wie man einen Baum in seinem Umfang und seinem Ausmaß erhält, ohne ihn zu kappen, zu verstümmeln oder seiner Gestalt zu berauben, das fragen Sie am besten professionelle Baumpfleger und Baumkletterer in Ihrer Nähe. Sie wissen nicht nur, wie man das hinbekommt, sondern haben auch die Technik dafür, sich im Baum überall sicher so bewegen zu können, um dort zu schneiden, wo es sinnvoll ist und nicht dort, wo die Stangensäge oder der Hochentaster gerade noch hinreichen.

Machen Sie sich wegen der Höhe oder des Umfangs Ihres Baumes keine Sorgen. Sollte der Baum irgendwann einmal gefällt werden müssen, sind geübte Baumpfleger- und Baumkletter*innen in der Lage, einen Baum kontrolliert Stück für Stück abzubauen, ohne Schaden zu verursachen. Sie beherrschen Techniken, mit denen sie Bäume so schonend fällen können, ohne einen Grashalm unter dem Baum oder eine Blume zu knicken. Lediglich der Aufwand wird durch solche Ansprüche höher und damit die Dienstleistung teurer, weshalb man Gartenzwerge und empfindliche Pflanzen dann besser in Sicherheit bringt.

Viel Freude mit Ihrem Baum. Auf ein langes Baumleben!

Der Autor: Johannes Bilharz

Bildautor Header: M. Jakob

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2 Antworten
  1. Katherine

    Hi, was ist, wenn ich ein Haus neben einem ca. 50 Jahre alten Baum (Sal-Weide) bauen möchte? Der Abstand würde vermutlich nur 1-2 Meter betragen. Wir bauen ohne Keller. Könnten die zum Haus gerichteten Äste geschnitten werden, damit der Baum das Dach (mit Solaranlage) nicht zu sehr beschattet?
    Über eure Hilfe würde ich mich sehr freuen.

    Antworten
    • Baumpflegeportal

      Hallo Katherine,
      vielen Dank für Ihre Frage. Schicken Sie uns Ihre Anfrage und Bilder doch über info@baumpflegeportal.de. Wir melden uns gleich bei Ihnen mit den Details.
      Herzliche Grüße,
      das Baumpflegeportal-Team

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