Erste Hilfe für den Baum im Boden

Seit den neunziger Jahren befasst sich eine beachtenswerte Anzahl Menschen – im Sinne von Pflege, Forschung und Anerkennung – mit dem Organismus „Baum“. Vor allem gilt dies für den urbanen Baum in Gärten, an Straßen und in Parks. In den letzten 25 Jahre entwickelte sich ein gewaltiger Wissenszuwachs und obendrein Gutachter, Baumpfleger und andere Verantwortliche, die in diesem neuen Sinne die Erkenntnisse anwenden. Viel „altes Wissen“ ist auf den Kopf gestellt und verschwindet nur langsam aus den Köpfen, Gärten und Parks. Selbstverständlich versuchen wir alle bestmöglich zu arbeiten, ohne zu wissen, ob es in Zukunft auch das Richtige war.

Die vernachlässigte Baumwurzel

In den letzten Jahren kümmerten sich die moderne Baumpflege, die Forschung und die Lehre vorwiegend um den oberirdischen Teil des Baumes. Die Zeit war nötig, um die erstaunlichen Fortschritte in diesen Bereichen zu erlangen. Der Boden, in dem der Baum wurzelt, spielte jedoch für den Einzelbaum in Forschung und Praxis eine völlig vernachlässigte Rolle.

Die Ausbildungen in der Baumpflege, zum Beispiel zum European Treeworker, Tree Technician, Fachagrarwirt oder zum Arboristen, behandeln den Boden im besten Fall als Lehrinhalt. Jedoch verbleiben die Inhalte größtenteils bei den Grundlagen, weil praktische Forschungsergebnisse und konkrete Handlungsanweisungen nahezu fehlen.

Zeichnung: Johannes Adrian Benk

Die Zeit ist längst reif, den Boden als Lebensgrundlage des Baumes und die Wurzel als versteckten, aber wesentlichen Teil des Baumes mit in die alltägliche Betrachtung einzubeziehen. Nicht erst dann, wenn aus sonst unerklärlichen Gründen nur noch der Boden und die Baumwurzel Schuld an irgendeiner Fehlentwicklung in Frage haben können.

Die Sprache des Bodens

Wie es die Sprache des Baumes gibt, so gibt es eine Sprache des Bodens, aus der wir Handlungsanweisungen heraushören können. Sei es eine Verdichtung oder Versiegelung, die den Gasaustausch und Wasserhaushalt behindert, sei es der Charakter der Vegetation, sei es die Körnung des Bodens, das Gefüge oder die biologische Aktivität – aus all diesen Faktoren lassen sich wertvolle Schlüsse ziehen. Sie sind sowohl dem Baumbesitzer und Baumsachverständigen gleichermaßen einleuchtend, und führen zu direkten Empfehlungen. Damit lassen sich die Wasserversorgung des Baumes, der Nährstoffhaushalt des Bodens, die Belüftungssituation und viele andere Faktoren zum Wohle des Baumes schützen und beeinflussen.

Drängende Fragen zum Boden

  • Was für ein Organismus ist der Boden?
  • Wie erkenne ich Bodenverdichtung?
  • Wie schütze und behandele ich den Baumstandort?
  • Wie vermeide ich selbst als handelnder Mensch Boden- und damit Baumschäden?
  • Welche Methoden zur Bodenkontrolle kann ich anwenden?
  • Welche Bedeutung haben Zeigerpflanzen?
  • Welche nachhaltigen Möglichkeiten gibt es zur Verbesserung des Bodens?
  • Wo bestehen ungeklärte Fragen?

Entscheidender und wichtigster Schritt ist der bewusste Respekt vor dem Boden. Das Interesse führt zu einem aufmerksamen Blick. Schädigungen zu vermeiden ist das effektivste Mittel zum Baumbodenschutz. Unsere Möglichkeiten sind begrenzt, aber größer, als viele annehmen.

Der Boden wächst in 100 Jahren um einen Zentimeter und ist schnell weggeschwemmt, zusammengetreten, erstickt und vergiftet. Er ist rar, bedroht, empfindlich und – er vergisst nicht.

10 Empfehlungen für Baum und Boden

Welche Mittel und Maßnahmen stehen uns zur Verfügung, um Schäden zu vermeiden oder um einem aus dem Gleichgewicht gebrachten Standort zu helfen? Der Sachverständige geht systematisch ans Werk. Er sucht nach konkreten Ursachen und entwickelt Verbesserungsstrategien. Es gibt aber auch allgemeine Empfehlungen, mit denen der Baumbesitzer selten etwas falsch macht:

  1. Respektieren Sie das „Hausrecht“ eines Baumes. Mindestens die vom Baum überspannte Fläche ist sein Lebensbereich. Bei schlanken Bäumen ist die Fläche deutlich größer. Zu einer artgerechten Haltung gehört „Bewegungsfreiheit“. Verschaffen und erhalten Sie den oberirdischen und unterirdischen Lebensraum des Baumes.
  2. Plötzliche Umfeldveränderungen sind für den Baum wesentlich schlechter zu verkraften als schleichende.
  3. Verdichtung und Versiegelung führen oft früher oder später zum Tod des Baumes.
  4. Verwenden Sie den Bereich unter dem Baum nicht zur Lagerung von Gartengeräten, Baumaterial, Mobiliar oder auch Kompost und Grasschnitt. Luft und Wasser brauchen ungehinderten Zutritt.
  5. Belasten Sie den Wurzelraum nicht durch Fahrspuren oder andere Gewichte. Der erste Schaden durch Verdichtung ist immer der schlimmste. Sobald Spuren auf der Bodenoberfläche zurückbleiben ist im Prinzip schon ein Schaden eingetreten.
  6. Je flacher eine Verdichtung, umso weniger schädlich ist sie. Fußabdrücke sind auch eine Schädigung, werden aber im Laufe der Zeit repariert. Tiefgehende Verdichtungen regenerieren sich oft nie mehr.
  7. Vermeiden Sie bei Nässe unbedingt Bodendruck oder ein Verschmieren der Bodenoberfläche.
  8. Eine möglichst luftige Unterbepflanzung der Baumscheibe ist ideal. Wenn aber die Baumscheibe genutzt werden muss, dann ist Rasen besser als nichts, weil er leichten Bodendruck recht wirksam verteilt. Wenn Sie zum Beispiel Trittplatten verwenden, lenken Sie die Schritte immer auf die gleichen Stellen.
  9. Baumaßnahmen im Umfeld des ungeschützten Baumes führen oft zum langsamen Tod. Ziehen Sie rechtzeitig qualifizierte Baumsachverständige zu Rate, wenn im Baumumfeld bauliche Veränderungen geplant sind.
  10. Gießen Sie bei Trockenheit die gesamte Baumscheibe. Und zwar rechtzeitig und regelmäßig, sodass sich der Boden gar nicht erst trocken anfühlt. Im Schnitt bis zu zehn Liter Wasser pro Quadratmeter je Tag ist eine grobe Richtlinie. Ein Rasensprenger eignet sich dazu sehr gut. Lassen Sie alternativ ein gefülltes Speisfass mit vielen sehr kleinen Löchern in sechs bis acht Stunden auf der Baumscheibe leerlaufen. Befüllen Sie es anschließend neu und positionieren es an einer anderen Stelle.

Wenn ein Schaden eingetreten ist – die Meliorationsbepflanzung

Die meisten Standorte von Stadtbäumen, besonders Straßenbegleitbäumen, sind gestresst und stark geschädigt. Die meisten Bäume auf diesen Standorten überleben ihre Jugend nicht. Der Baum im Park oder Garten hat da schon bessere Chancen. Bei ihm lassen sich Mittel und Methoden anwenden, für die im Straßenraum wenig Möglichkeiten bestehen.

Wenn wir uns die zehn Empfehlungen für Baum und Boden ist Gedächtnis rufen wird klar, warum eine gezielte Bepflanzung des gesamten Bereiches unter dem Baum die meisten Forderungen nach einem geschützten Standort erfüllt. Sie leitet zudem eine Reparatur und Regeneration des Wurzelraumes ein.

Welche Pflanzen sind geeignet?

Eine Unterbepflanzung aktiviert das Bodenleben. Die Wurzeln schaffen Drainagekanäle, stabilisieren das Bodengefüge und die Pflanzen erschweren eine Zweckentfremdung der Baumscheibe. Es gibt verschiedene Ansaaten – beispielsweise Lupine, Luzerne oder Klee -, die aus der Landwirtschaft als Gründüngung bekannt sind. Allerdings ziehen die Leguminosen mithilfe von Bakterien reichlich Stickstoff aus der Luft in den Boden, der im Überangebot für den Baum ungünstig ist.

Für Mensch und Biene sind attraktive Wildgrasmischungen besser geeignet. Auch Getreide – wie beispielsweise Roggen – durchwurzeln intensiv den Boden und hinterlassen für den Winter eine schützende Mulchdecke. Wer Efeu im Griff halten kann, der kann auch Efeu anpflanzen. Wegen der Sichtbehinderung bei der Baumkontrolle darf er aber am Baum nicht zu hoch wachsen. Ebenfalls gut geeignet sind Senf, Sonnenblumen und Raps.

Wie Unterpflanzung wirkt

Verdichtungen verursachen umso dauerhaftere und gravierendere Probleme, je tiefer sie auf den ersten sechzig bis achtzig Zentimetern im Boden entstehen. Darunter nimmt der schädliche Einfluss einer Verdichtung allmählich ab. Die Wurzeln der Unterbepflanzung durchdringen mehr oder weniger intensiv die verdichteten Schichten. Nach ihrem Absterben hinterlassen sie Kanäle. Die Wurzelmasse dient nun als Starter einer Nahrungskette von Bodenorganismen.

Der Ab- und Umbau der organischen Substanz beginnt, und die zurückbleibenden Wurzelkanäle werden durch die organische Auskleidung stabilisiert. Durch diese Versorgungsleitungen gelangt Sauerstoff in den Boden, Schadgase entweichen und bei starkem Regen versickert überflüssiges Wasser durch die groben Poren ohne Schaden anzurichten.

Alle Maßnahmen die vom Baumbesitzer eingeleitet werden, sollten dem gesunden Verhältnis der vier Elemente dienen: Mineralien, Wasser, Luft und Biomasse. Die Unterbepflanzung hilft dabei, dieses Verhältnis herzustellen und zu schützen.

Gastartikel von: Jörn Benk Benk – GmbH

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2 Antworten
  1. Jens Thomsen

    Hallo, ich habe, vor 10 Jahren, 6 Rotdörner in meine Fußwegeinfahrt gepflanzt. Und 10 Jahre vorher sind 5 Dreiachser mit Granitpflaster darüber gefahren. Wir haben vorher mit einem Traktor, mit Aufrisshaken, den Boden ca. 50 cm tief aufgerissen.
    Und jetzt wachsen die Bäume nicht richtig an, wackeln im Boden und verlieren früh die Blätter. Sollte ich die Bäume ausgraben und den Boden 50/60 cm tief ausheben und auflockern, dann wieder einpflanzen? Oder 2. 4/5 Löcher, mit einen Pfahlbohrer, rund um den Baum bohren? Wodurch die Wurzeln tiefer Wurzeln können und besser hält und Wasser finden.
    Mit freundlichen Grüßen Jens Thomsen

    Antworten
  2. Jutta Schreiter

    Hallo,

    ich habe im Frühjahr 2018 bei einem ortsansässigen Gartenbetrieb eine Linde gekauft und auch pflanzen lassen. Im Jahr 2019 hatte sie keine einzige Blüte und wirkte immer wieder welk. Heuer nun, im Jahr 2020 hat die Linde jede Menge Blüten angesetzt. Mit zunehmender Wärme wurde sie jedoch immer schlaffer und welker. Inzwischen sind ganze Äste vertrocknet. Die Blüten und Blätter hängen schlaff an ebenfalls herunter hängenden Ästen und Zweigen.
    Ich habe die Befürchtung dass es sich um die Vertillicium Welke handelt. Der Gartenbaubetrieb will davon nichts wissen und behauptet, trotz des sichtbaren Schadens, dass die Linde gesund sei.
    Kann mir jemand sagen, was ich in einem solchen Fall tun kann? Die Linde hat einschließlich pflanzen ca. 400 € gekostet. Und bei einem tatsächlichen Vertillicium Welke befall kommen da noch jede Menge Kosten dazu. Ich habe gelesen dass in einem solchen Fall sowohl der Baum entfernt, als auch die Erde großräumig entfernt werden muss, da dieser Pilz sich sonst im ganze Garten ausbreitet.
    Muss ich in einem solchen Fall sämtliche Kosten tragen, oder kann der Gartenbaubetrieb an der Schadensbegrenzung beteiligt werden? Brauche ich ein Gutachten für den Baum? Wenn ja, wer macht das?

    Antworten

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