Wie einen Apfelbaum ohne Früchte pflegen und schneiden?

User fragen Baumpfleger

In meinem Garten steht ein vierzig Jahre alter Apfelbaum der dieses Jahr wenige Früchte hatte. Im Spätsommer hat er in der oberen Kronenhälfte einen Meter lange, senkrechte Wassertriebe produziert.  Sind die Wasserschosse schlecht für den Baum? Was kann ich tun, damit mein Apfelbaum wieder mehr Äpfel und Ertrag bringt?

Die Antwort:

Ertrag hängt von der Schnittführung ab

Baumpfleger antworten Usern

Kurzfassung

Ja und Nein. Das Wegschneiden aller Wasserschosse ist nicht die Lösung. So einfach ist der Schnitt von Apfelbäumen leider nicht. Einfache Antwort gefällig? Lichten Sie oben und außen stärker aus und setzen Sie auf kürzere und dünnere Äste. Konzentrieren Sie sich im unteren und innen Teil der Krone eher auf verzweigte, längere und dickere Triebe. Dies umfasst in der Kurzfassung den von mir entwickelten Schlankschnitt. Der geringe Ertrag ihres Apfelbaumes in diesem Jahr liegt wahrscheinlich daran, dass die Blüten mit dem starken Schnitt weggeschnitten wurden. Diese bildet der Apfelbaum schon im Vorjahr. Dies ist vor allem an den abrupt endenden Ästen, dem Missverhältnis der verschiedenen Altersstadien der Äste und der Länge des Neuaustriebes erkennbar.

Vorbetrachtungen

So einfach, wie in meiner Kurzfassung, ist es natürlich nicht. Ihr Apfelbaum ist noch in gutem und vitalem Zustand, soweit ich das vom Bild her erkennen kann. Es gibt hinsichtlich des Alters des Baumes noch keinen Grund für einen Ertragsausfall. Zuerst müssen wir uns darüber einigen, welches Ziel wir beziehungsweise Sie verfolgen. Eine Schnittempfehlung ohne ein Ziel läuft ins Leere. Aus Ihrer Frage entnehme ich, dass erneute Fruchtbildung Ihr Ziel ist.

Jeder Apfelbaum, wie jede andere Baumart, blüht irgendwann. Apfelbäume blühen meist jährlich bis zweijährlich. Wenn kein Ertrag vorhanden war, müssen wir zunächst eine Frage klären: Hat der Baum im Frühjahr geblüht?

Hat der Baum im Frühjahr geblüht, liegt der Ertragsausfall an mangelnder Befruchtung der Blüten. Das kann an schlechtem Wetter während der Befruchtungszeit der Blüten liegen, da Bienen bei kalt-nassem Wetter weniger fliegen. Auch kann eine geeignete Befruchtersorte in der Nähe Ihres Apfelbaumes fehlen. Apfelbäume sind in der Regel Fremdbefruchter. Der Pollen für die Befruchtung muss von einer anderen, geeigneten Apfelsorte kommen. Fehlt diese, oder blühten diese Bäume selbst nicht, so gibt es keine Befruchtung und keinen Ertrag.

Hat der Baum im Frühjahr nicht geblüht, ist der Baum eventuell noch nicht „erwachsen“ und zu jung zum Blühen. Mit 40 Jahren kann ich das bei Ihrem Apfelbaum jedoch ausschließen. Hat der Baum nicht geblüht, gehe ich deshalb davon aus, dass er im Vorjahr keine Blüten bildete oder vorhandene Blütenknospen weggeschnitten wurden.

Auf Grund Ihrer mitgesendeten Bilder, gehe ich vor allem auf Punkt zwei ein. Hier ist deutlich erkennbar, warum der Schnitt so viele Wasserschosse produziert hat.

Wasserschosse bei Apfelbäumen

Was aber ist schlecht an Wasserschossen? Wasserschosse produzieren sehr viel Holz und machen die Krone lichtundurchlässig. Meist schießen sie fast senkrecht in die Höhe und fügen sich deshalb nicht harmonisch in die Kronenstruktur ein. Durch die starke Richtungsänderung beim Übergang in den Wassertrieb, stockt der Saftfluss. Bei Wasserschossen nimmt das Dickenwachstum besonders schnell zu. Es entwickeln sich kräftige Äste, die schnell Armdicke haben können.

Die meisten Äste haben die Aufgabe, Früchte zu tragen und nicht, den Baum zu stabilisieren. Nach ein paar Jahren werden Sie dann von neuen, jüngeren Fruchtästen abgelöst und entfernt. Wasserschossen sind aber nach drei bis fünf Jahren schon so dick, dass sie beim Entfernen große Schnittwunden verursachen. Das macht dem Baum Probleme.

Der Baum steckt bei ungünstiger Schnittweise viel Energie in die Korrektur der Krone und bildet Wasserschosse. Der Mensch schneidet diese oft weg. Das führt zu großem Schnittaufwand für den Menschen und stellt für den Baum eine Energieverschwendung dar. Ziel muss es sein, die Energie des Apfelbaumes durch Schnitt gleichmäßig zu lenken. In der gesamten Krone bewirkt der Schnitt einen Zuwachs von jungem Fruchtholz und somit zu Apfelertrag. Durch Schlankschnitt können Sie das Ziel auch bei starken Eingriffen erreichen.

Die Blütenbiologie von Apfelbäumen

Blüten bilden sich immer am zuletzt gewachsenen Ast, sozusagen am einjährigen Zuwachs. Beim Apfelbaum und allen Kernobstarten sitzt die Blütenknospe in der Regel an der Endknospe. Im Gegensatz dazu sitzen die Blütenknospen bei Steinobst wie der Kirsche, an der Seite von einjährigen Neutrieben. Aus einer einzelnen Blütenknospe entfalten sich nach und nach mehrere Blüten. Diese zeitlich versetzte Reifung sorgt dafür, dass trotz weniger Stunden Fruchtbarkeit der einzelnen Blüten, die Wahrscheinlichkeit für eine Befruchtung steigt.

Diese Endknospe wird bei Apfelbäumen erst dann gebildet, wenn das neu gewachsene Ästchen sein Wachstum beendet hat. Das Wachstum muss je nach Sorte, Individuum und Jahr ungefähr im Juli beendet sein. In Fachkreisen heißt dieser Vorgang Blütenknospendifferenzierung. Diese entscheidet, welche Knospe zur Blüte wird und welche Blattknospe bleibt. Noch nicht angelegte Knospen können auch nicht zur Blüte gekrönt werden.

Wird ein Baum stark und einseitig geschnitten, wachsen die neuen Äste so lang, dass sie zur Zeit der Differenzierung der Knospen noch keine Endknospen haben. Diese werden somit auch nicht zu Blüten und bilden auch logischerweise auch keinen Ertrag im Folgejahr. Auf dem Foto Ihres Baumes ist erkennbar, dass dieses Phänomen eingetreten ist. Darauf lassen der starke Austrieb und das Ausbleiben von Blütenästen schließen.

Zum Verständnis

Frage: In welchem Jahr kann ein Wasserschoss zum erstem Mal Früchte tragen?

Antwort: Im drittem Jahr!

Erklärung: Im ersten Jahr wächst ein Trieb zum Wasserschoss. Er wächst so stark, dass die Endknospe zur Zeit der Blütenknospendifferenzierung nicht vorhanden ist und keine Blüteknospe bildet. Im zweiten Jahr treibt er im besten Fall seitlich Kurztriebe, die noch im gleichen Jahr an der Triebspitze Blüten ansetzen. Im dritten Jahr im Frühjahr kommt es frühestens zur Blüte und wenn alles gut geht gibt es am Wasserschoss den ersten Ertrag.

Sie bringen die seitlichen Knospen der Wassertriebe zum Austreiben, indem Sie den Baum in Ruhe lassen. Alternativ bietet sich der Schlankschnitt an, da dieser bewirkt, dass der Baum durch gezielten Schnitt nicht überreagiert und „ruhig“ bleibt. Aus den Knospen entwickeln sich neue Ästchen. Die Spitzenknospe treibt stark, die seitlichen Ästchen nur schwach. Das heißt Spitzenförderung. Und weil sie so schwach wachsen, haben sie meist im wichtigen Zeitraum Juli das Wachstum mit der Bildung einer Endknospe beendet. Folge: Diese Blattknospen können den Ritterschlag zur Blütenknospe entgegennehmen. Das gilt auch für Wasserschosse im zweiten Jahr! Lediglich dann, wenn die Seitenknospen im zweiten Jahr immer noch stark wachsen, kann sich die Blütenbildung um ein weiteres Jahr verzögern.

Wie Wasserschosse Ertrag bringen

Schneiden Sie Ihren Baum dieses Jahr nicht, überschüttet er Sie spätestens 2018 mit Obst, wenn Befruchtung und das Wetter mitspielen. Trotzdem ist es nicht ratsam, den Baum sich selbst zu überlassen wenn Sie jährlich Früchte ernten möchten. Greifen Sie nicht ein, bilden sich so viele Früchte, dass es im Folgejahr zu einem Ertragsausfall kommt. Warum? Eigentlich müsste Ihr Baum im Folgejahr wieder viele Blüten bilden. Die Früchte beanspruchen so viel Energie, dass Neutriebe schwach bleiben und ihr Wachstum im Juli beenden. Sie können also Knospen zu Blütenknospen ausbilden. Es gibt aber noch einen weiteren Effekt.

Zeittafel

  • Jahr 1: Wasserschosse treiben stark
  • Jahr 2: Seitenknospen der Triebe treiben aus und bilden Blütenknospen
  • Jahr 3: Aus den Knospen entwickeln sich Blüten und letztendlich Früchte

Ertrag und Blütenbildung – Alternanz

Viele Apfelsorten haben einen Mechanismus, der jährlich hohen Ertrag verhindert. Die Wissenschaft geht derzeit davon aus, dass die Umwandlung einer Blatt- in eine Blütenknospe Energie in Form von Assimilaten verbraucht. Früchte scheinen etwas dagegen zu haben, dass andere sich an den vorhandenen Assimilaten bedienen. Sie nutzen alle Energie für ihr Wachstum und die Reife. Die Endknospen der Neutriebe gehen leer aus. Ihnen fehlen letztlich die Nährstoffe zum Umwandlung. Aus der Traum, eine Blüte zu werden. Evolutorisch gesehen steckt der Baum seine Energie lieber in den vorhandenen potentiellen Nachwuchs, als in den künftigen.

Folge eines guten Ertragsjahres: Im Jahr danach gibt es keine oder eine geringe Zahl von Blütenknospen und damit geringen bis keinen. Dieses beim Apfelbaum sehr verbreitete Phänomen heißt Alternanz. Vereinfacht gesagt folgt auf ein Jahr mit viel Ertrag, ein Jahr ohne oder mit geringem Ertrag. Gibt es bei starkem Blütenansatz aufgrund mangelnder Befruchtung ein Ausfalljahr, kommt der zweijährige Rhythmus durcheinander. Auch gibt es genetische Unterschiede. Nicht alle Apfelsorten sind anfällig für Alternanz und blühen jährlich, egal wie hoch der Ertrag im Vorjahr war.

Merke!

Ohne Blüten kein Ertrag. Mit Blüten nur dann Ertrag, wenn die Befruchtung erfolgreich war.
Vollertrag kann bei alternierenden Bäumen bedeuten, dass es im Folgejahr wenig bis keine Blüten gibt (ausgenommen Jungbäumen).

Probleme mit der Alternanz

Kurz formuliert müssen Sie ein Gleichgewicht zwischen Blütenbildung und Ertrag hinbekommen. Nicht der Vollertrag ist das Ziel, sondern der gleichmäßige Ertrag. Die Wissenschaft hat festgestellt, dass alternierende Bäume in der Summe mehr Ertrag bringen als geschnittene, gleichmäßig tragende Bäume. Ein Jahr mit überdurchschnittlichem Ertrag bringt Ihnen nur etwas, wenn Sie auch alle Äpfel verarbeiten oder gute Preise dafür erzielen. Oft haben in diesem Jahr aber alle eine Vielzahl an Äpfel, wodurch der Verkaufspreis sinkt. Im Jahr darauf herrscht bei Ihnen und den Nachbarn Apfelmangel. Sie müssen Ihre Äpfel teuer zukaufen. Mäßiger aber regelmäßiger Ertrag ist oft die bessere Alternative. Das ist machbar!

Die Kunst beim Schnitt des Apfelbaumes

Bei der Wahl des richtigen Schnittes machen wir uns die Baumbiologie zu nutze. Der richtige Schnitt regt den Baum an, gleichmäßig und mäßig jedes Jahr Neutriebe statt Wassertriebe zu bilden. In Jahren mit hohem Blütenansatz schneiden Sie kräftiger und konzentrieren sich beim Schnitt auf Äste mit gutem Blütenansatz. Fördern Sie Äste, die erst im Folgejahr blühen. Bei wenig Blütenansatz agieren Sie umgekehrt. Die Schnittstärke zielt darauf ab, bei wenig Blütenansatz den Neuzutrieb zu bremsen und bei viel Blütenansatz den Neuzutrieb zu fördern. Es gilt also, auch den Zuwachs mit dem Schnitteingriff zu steuern.

Alternanz umgehen

Sie umgehen die Alternanz beim Apfelbaum, wenn Sie es schaffen, die Länge des Neuzuwachses in einem günstigen Längenbereich zu halten. Die Früchte hindern nur die Knospen in ihrer Nähe daran, zur Blüte zu werden. Wissenschaftler vermuten, dass die Kerne der Früchte Hormone aussenden, welche die Endknospen an der Umwandlung zur Blüte hindern. Achtung: Das ist bisher nur eine Theorie. Beweise für ein solches Hormon gibt es noch nicht.

Altes Fruchtholz ist meist kurz und deshalb anfällig für Alternanz, aber nicht unwichtig für hohen Ertrag. Hat ein neuer Trieb eine gewisse Länge von fünf bis zwanzig Zentimetern erreicht, dann bleibt die Endknospe von dieser Blockade verschont. Sie nimmt an der Verlosung zur Blütenknospe teil. Der Neutrieb darf aber auch nicht zu lang sein, sonst ist, wie oben beschrieben, die Endknospe zur Zeit der Differenzierung noch nicht vorhanden.

Der Baumschnitt muss also darauf abzielen, das Wuchspotential des ganzen Baumes so zu verteilen, dass es sich gleichmäßig auf alle Knospen verteilt. Im Idealfall ist der Zuwachs in der Krone oben, unten außen und innen glich. Ob der Baumpfleger diese Kunst beherrscht, lässt sich leicht überprüfen. Sind Innen die Zuwächse gering und oben hoch, hat er das Ziel verfehlt.

Den Wuchs zu bremsen, in dem Sie den Baum schädigen, ist Verschwendung von Energie und Ressourcen. Gängige Methoden sind Ringeln, Kappen der Wurzeln oder Minderung des Ressourcenaufbaus durch Sommerschnitt. Möchten Sie die Armut dadurch bekämpfen, indem Sie den Reichen das Geld wegnehmen und es verbrennen, so bleiben nur Arme Menschen übrig. Das passiert beim falschen Obstbaumschnitt. Alles, was der Baum mühevoll aufbaut, vernichtet der Schnitt wieder.

Fazit

Der von mir entwicklete Schlankschnitt zielt deshalb darauf ab, dass alles, was der Baum aufbaut, dem eigenen Ziel zuarbeitet. Statt wenige und sehr hohe Wasserschosse, gibt es für alle Knospen Zuwächse von wenigen Zentimetern. Ergebnis: Geringer Schnittaufwand, hohe Produktivität, jährlicher Ertrag. Zufriedener Mensch und zufriedener Baum. Das Erreichen des Zieles durch die Methodik des Schlankschnitts ist allerdings nicht so einfach zu erklären. Sehr viele Faktoren beeinflussen sich gegenseitig. Das lässt sich in Wort und Schrift nur schwer vermitteln.

Der Autor: Johannes Bilharz

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2 Antworten
  1. Jan Hoffmann

    Korrekturvorschlag zum Infokasten „Zum Verständnis“

    Nicht bei allen Apfelbäumen entwickeln sich die Früchte, wie im Infokasten beschrieben, erst im dritten Jahr.
    Es gibt Apfelsorten, die auch schon im zweiten Jahr an Alarmtrieben (Wasserschoss, Reiterat) aus dem Jahr zuvor Früchte bilden.

    Antworten
    • Baumpflegeportal

      Guten Tag Herr Hoffmann,
      Damit haben Sie natürlich recht. Es hängt davon ab, wie schnellwüchsig sie Sorte ist. Langsam wachsende Apfelsorten können schon im ersten Jahr zum Zeitpunkt der Knospendifferenzierung das Wachstum der Wasserschosse abgeschlossen haben. Dann gibt es im nächsten Jahr bereits Früchte. Da jedoch meistens „Alarmtriebe“ sehr wüchsig sind und bis in den Sommer hinein weiterwachsen, dauert es bei den meisten Apfelarten ein Jahr länger bis zur Ernte.

      Antworten

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