Artenschützer im Einsatz mit Klettergurt

Artenschützer Max Backoff streift sich seinen Klettergurt über die graue, abgenutzte Hose, auf der noch ein wenig Harz und Sägespäne von seinem letzten Baumpflegeeinsatz kleben. An seinem Klettergurt sind aber dieses Mal nicht nur Handsäge, diverse Karabiner und Rollen befestigt. An einem dieser bunten Karabiner baumelt ein kleines Endoskop. Denn heute wird Max Backoff weder Totholz entfernen, noch Kronen lichten – heute wird er Arten schützen.

Vom Vogelzähler zum Baumpfleger

Der 32-Jährige studierte Landschaftsnutzung und Naturschutz und war eine Zeitlang Deutschlands einsamster Praktikant. 2015 lebte er für einige Monate auf der Insel Scharhörn und zählte als Umwelt-Praktikant quasi hauptberuflich Vögel. Schon immer war Artenschützer Max Backoff fasziniert von der Natur. Aber erst ein Freund, der eine für ihn beeindruckende Abschlussarbeit in Indonesien schrieb, brachte den gebürtigen Berliner letztendlich zur Baumpflege. „Mein Freund war begeisterter Sportkletterer und turnte auf den mächtigen tropischen Bäumen für seine Arbeit herum. Mich faszinierte das: der sportliche Aspekt und die Naturerfahrung.“

Artenschutz mit Klettertechnik

Max Backoff machte eigentlich eher aus Spaß den Kletterschein. „Nach dem Studium war für mich klar, dass ich in der Baumpflege weiterarbeiten will, aber auch im Naturschutz.“ Heute trägt die Firma des jungen Natur- und Umweltschützers den Namen Eichkater, denn genau den fand Max Backoff mehr als passend für seine neue, berufliche Tätigkeit. „Der Eichkater, also das europäische Eichhörnchen, ist ein agiler Baumbewohner und noch dazu Sympathieträger“, so Backoff.

Max Backoff widmet sich also nicht nur der klassischen Baumpflege, sondern auch dem Schutz von Habitatbäumen. Bei Baumfeldberäumungen, überregionalem Trassenbau oder auch im privaten Bereich kommt der Biologie und Baumkletterer zum Einsatz. Mittels Seilklettertechnik erkundet er die zu schützenden und zu erhaltenden Bäume.

Wer wohnt hier und wie viele?

Hauptsächlich muss Artenschützer Max Backoff dabei feststellen, ob sie bewohnt sind und vor allem, wer sie bewohnt. „Meine Aufgabe ist es, die dauerhaft genutzten Lebensstätten von verschiedenen Tierarten zu schützen. Das mache ich, indem ich ihren Lebensraum kontrolliere, wenn es sein muss, sogar mehrere hundert Hektar Wald, die eigentlich gerodet werden sollen“, so Backoff. Meist werden die Vorkontrollen vom Boden aus durchgeführt.

Findet der Artenschützer Spuren bestimmter Tiere, greift er auf die Seilklettertechnik zurück und kontrolliert die einzelnen, potenziellen Habitatbäume. „Außerdem kann es auch einmal sein, dass Eichhörnchenkobel oder in Baumhöhlen lebende Tiere geborgen und umgesiedelt werden – dann machen wir das natürlich auch mittels Seilklettertechnik“, erklärt er weiter. Dies sei gar nicht so einfach, da die wertvollen Lebensstätten oder künstlicher Ersatz natürlich unbeschadet im neuen Baum ankommen sollen.

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Erst Analyse, dann Kontrolle

Bevor er aber überhaupt die Domizile seiner Schützlinge umsiedeln kann, steht erst einmal die umfassende Kontrolle an. „Das Untersuchen von Baumhöhlen beginnt eigentlich mit einer kurzen Analyse des landschaftlichen Zusammenhangs“, sagt Artenschützer Max Backoff. Dazu zähle die strukturelle Beschaffenheit der umliegenden Landschaft, denn daran lasse sich ableiten, welches Artenspektrum überhaupt darin vorhanden ist.“

Danach fertigt er eine grobe Skizze der potenziellen Arten an und notiert deren Rolle im örtlichen Ökosystem. Manchmal überprüft Backoff auch mit „Ansitzkontrollen“ das potenzielle Habitat und beobachtet es genau. In Kombination mit einer Untersuchung mittels Endoskop erhält der erfahrene Naturschützer so einen aussagekräftigen Eindruck der Örtlichkeiten.

Endoskop ist immer dabei

Hat Artenschützer Max Backoff erst das Umfeld des Baumes sowie den Baum selbst eingehend kontrolliert, kommt das Endoskop zum Einsatz. „Gerade kleine Fledermausarten können in winzigen Spalten hängen und mit ihrem bräunlichen Fell beinahe unsichtbar werden“, weiß der Biologe. So müsse er trotz Untersuchung mit dem Endoskop auf viele kleine Anzeichen achten.

Alle Funde – egal ob ein Tier gesichtet wird oder nicht – müssen in seine späteren Beurteilungen einlaufen. „Fledermäuse haben ein Sommer- und ein Winterquartier. Das bedeutet, dass vielleicht bei der aktuellen Kontrolle keine Tiere da sind, die Höhle aber nur temporär nicht genutzt wird“, erklärt er weiter. All diese Überlegungen müssten also in seine Habitatbeurteilung einfließen und aufgrund dieser Entscheidungen getroffen werden.

Fotos: Max Backoff/Eichkater

Artenspezifisches Wissen gefragt

„Ich möchte an dieser Stelle besonders darauf hinweisen, dass die Untersuchung von Baumhöhlen absolut nicht trivial ist. Leider scheint es mir vermehrt in Mode zu kommen, dass Baumpfleger nach einer kleinen Kompaktweiterbildung als Artenschutzsachverständige auftreten. Das verkauft sich sicher gut, jedoch wird es der Sache nicht gerecht. Artenschutzfachliche Begutachtungen erfordern ein hohes Maß an Kenntnis ökosystemarer Zusammenhänge, artenspezifischen Wissens und natürlich Erfahrung“, mahnt der Biologe zur kritischen Selbsteinschätzung. Nichtsdestotrotz sei eine Kontrolle, auch an Baumstellen mittels Endoskop, besser als gar keine Kontrolle.

Zwischen Artenschutz und Verkehrssicherheit

Artenschützer Max Backoff arbeitet aber nicht nur in großen Waldgebieten, sondern ist auch oft im urbanen Bereich bei Privatleuten zur Stelle, wenn es um das Thema Artenschutz geht. „Hat der Baum eine naturschutzfachliche Relevanz im Hinblick auf den Artenschutz nach § 44 BNatSchG, ist eine Entfernung ohnehin genehmigungspflichtig“, erklärt Backoff. Soll ein solcher Baum trotzdem gefällt werden, gehe das nur mit einem Antrag bei der zuständigen Behörde und einer ausführlichen, weiteren Begutachtung.

„Meiner Erfahrung nach lassen sich viele Baumbesitzer jedoch auch dann fachlich überzeugen, den Baum stehen zu lassen, wenn kein Zwang besteht“, so das Resümee des Baumpflegers. Das Spannungsfeld zwischen Verkehrssicherheit und Artenschutz sei hierbei meistens der limitierende Faktor. Könne ein Baum noch verkehrssicher gehalten werden, ließen sich Baumeigentümer oft überzeugen und würden den Mehrwert des Baumes erkennen.

Naturhöhle statt Holzbeton-Nistkasten

„Habe ich es bei meinen Kunden mit ‚Naturfreunden‘ zu tun, also Menschen, die ein persönliches Interesse am Naturschutz haben, biete ich ihnen auch oft an, Baumbestände aufzuwerten. Habitatstrukturen, die im Zuge von Baumfällungen entfernt werden müssen, sammle und arbeite ich auf und bringe sie gern auch im privaten Garten wieder aus“, so das Naturschutzkonzept des Baumpflegers. So würde er dann eine Naturhöhle anbringen anstelle eines Holzbeton-Nistkastens.

„Auch die Kundschaft würde auf diese Mehrfachverwendung von Materialien gut reagieren. „Wir hatten auch schon Kunden, welchen wir anstelle einer Fällung ein Abtragen auf Hochtorso anbieten konnten. Darin haben wir dann Höhlungen eingesägt und geeignete Naturhabitate installiert“, blickt er auf einen seiner vergangenen Aufträge zurück. Dieses Konstrukt hat er „Lebensraumbaum“ getauft.

Dieser künstliche Greifvogelhorst wurde von Artenschützer Max Backoff an einer Birke angebracht.
Künstlicher Greifvogelhorst an Birke

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Ökologische Baubegleitung

Max Backoff hat sich mit Leib und Seele dem Natur- und Artenschutz verschrieben, sodass er in seinem Betrieb „Eichkater“ auch eine ökologische Baubegleitung anbietet. Die Ökologische Baubegleitung – kurz ÖBB – stelle einen Sammelbegriff für diverse Dienstleistungen dar. Dabei werden Bauprozesse, die in die Natur und Landschaft eingreifen, durch einen Sachverständigen begleitet.

Seine Hauptaufgaben seien dabei Beratungsleistungen in Sachen Arten- und Naturschutz sowie die konzeptionelle oder praktische Ausarbeitung von Ausgleichsmaßnahmen. Schnittmengen mit der Baumpflege seien hier die Begleitung bei Fällmaßnahmen, aber auch der Baumschutz auf Baustellen.

Über Max Backoff

Der „Eichkater“ ist Biologe und leidenschaftlicher Baumpfleger. Er ist Fachagrarwirt für Baumpflege und Baumsanierung (staatlich geprüfter Meister) und M.Sc. Landschaftsnutzung und Naturschutz sowie zertifizierter Baumkontrolleur (FLL), Sachverständiger für Baumhabitatstrukturen und ETW. Sein Ziel: maßgeschneiderte und fachgerechte Lösungen für Baumarbeiten im Sinne des Artenschutzes finden und anbieten. Mehr zum Berliner Eichkater gibt es unter www.eichkater.org.

Artenschutz wichtiger Teil der Baumpflege

Max Backoff sieht aber nicht nur in der ökologischen Baubegleitung oder seiner Tätigkeit als Arten- und Naturschützer eine große Schnittmenge zur Baumpflege mittels Seilklettertechnik. „Ich kann immer wieder nur an meine Kolleg*innen appellieren, ihre Verantwortung als qualifizierte Fachkraft für Baumpflege ganzheitlich wahrzunehmen“, wünscht sich Backoff. Dazu gehören für ihn nicht nur die Grundkenntnisse im Artenschutz und das Wissen rund um Baumhöhlen, sondern auch die umsichtige Ausführung von Baumarbeiten. Max Backoff kann nur jeder*m empfehlen, sich in diese Richtung weiterzubilden, denn niemand außer den Baumkletter*innen würde so nah an der Natur arbeiten – auch im urbanen Bereich – wie sie selbst.

Die Autorin: Simone Huss-Weber

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