Starke Baumtypen

Die alten Linden vom Mont Sainte-Odile

Das Elsass ist eine wunderschöne – teils liebliche, teils gebirgige – Landschaft auf der französischen Seite des Rheins. Sie ähnelt ein wenig der des östlich verlaufenden Schwarzwaldes auf der deutschen Seite des Stroms. Von dem kleinen Ort Andlau, an der Elsässischen Weinstraße, südlich von Strassburg, der ein schönes „Basislager“ ist, geht’s über serpentinenartige Straßen hinauf in die Vogesen und man braucht nicht lange, um die ersten Hinweisschilder auf den Mont Sainte-Odile zu finden.

Der Mont Saint-Odile im Elsass und das Ottilien-Kloster

Nach einem Besuch des nahe der Strecke liegenden, früheren Konzentrationslagers Natzweiler-Struthof – noch tief in Gedanken versunken und voller Trauer über die unsäglichen Qualen, die die nach dort deportierten Menschen von den Schergen der Nazis ertragen mussten, bevor sie auf bestialische Weise umgebracht wurden – erreicht man die Felsen des Mont Sainte-Odile, die so uneinnehmbar erscheinen.

Hier, auf der Kuppe des Berges, über den Mauern keltischer Baumeister ruhend, liegt das Kloster der Heiligen Ottilie (Odilia, franz. Odile) in etwa 760 Metern Höhe. Bis heute haben der Heilige Berg des Elsass und das auf ihm gebaute Kloster nichts von ihrem Mysterium und ihrer Anziehungskraft für Besucher und pilgernde Christen aus aller Welt verloren. Der Ort ist ein besonderes Ziel für all jene Menschen, die für die Sehkraft ihrer Augen bitten.

Um etwa 660 wurde die Heilige Ottilie geboren ( 720), die Papst Pius der XII. zur „Himmlischen Patronin des ganzen Elsass“ erklärte. Der Geschichte nach kam sie blind auf die Welt und erlangte das Augenlicht in dem Moment, als sie als zwölfjähriges Mädchen getauft wurde. Später gründete sie das Kloster.

Die alten Linden rund um das Kloster

Wie die Gebäude der Kapellen und des Klosters, in denen sich heute auch ein Hotel befindet, werden auch die Bäume, die man in großer Anzahl findet, liebevoll gepflegt. Es sind zum großen Teil Linden. Dass man an einigen auch Scheinplomben findet (Abb. 1 und 2), ist wohl ein Relikt aus zurückliegender Zeit, als auch bei uns ohne besseres Wissen gebolzt, gebohrt und gehobelt wurde und man versuchte, hohle Stämme von Bäumen dauerhaft zu verschließen, um so den holzabbauenden Pilzen „den Garaus“ zu machen.

Unter den Bäumen finden Menschen Bänke, um sich auszuruhen und sie machen davon reichlichen Gebrauch. Es ist schön, unter den „Grünen Riesen“ einen Moment lang seinen Gedanken nachzugehen (Abb. 3) und in die Landschaft der Rheinebene hinauszuschauen. Greifvögel nutzen die Thermik, die aus dem tief unten liegenden Tal aufsteigt und irgendwo dort hinten, im Dunst, glänzt das Band des mächtigen Flusses.

Linden gab es im Kloster schon, als Odilia dort lebte. Die Legende erzählt, dass sich eines Tages ein junger Mann mit drei Lindenschösslingen bei Odilia einfand. Odilia pflanzte die Linden. Sie sollen sehr alt geworden sein. Wenn man dem Chronisten glauben darf, sind zwei von ihnen unter der Regierung Louis XIV. (* 1638, 1715) verbrannt. Der dritte Baum soll noch länger am Kloster gestanden haben. Die Linde gilt daher in den Vogesen als „Baum der Odilia“.

Auf der Nordseite des Klosters befindet sich eine Terrasse, von wo man einen herrlichen Blick auf die Rheinebene und den auf deren anderer Seite liegenden Schwarzwald hat – jedenfalls bei klarer Sicht (Abb. 4). Eine Statue der Heiligen Odilia, die ihr Land beschützend dargestellt ist, wacht offenbar auch über die dort stehenden Linden.

Die 200-jährige Linde ohne Kernholz

Ein über 200-jähriger Baum weckt das besondere Interesse von Baumfreunden. Aus der Entfernung fallen der gedrungene Wuchs und die kompakte Krone auf (Abb. 5).

Wenn man um den Baum herum geht und ihn von seiner nördlichen Seite betrachtet, stellt man des Weiteren fest, dass der Stamm der Linde nur noch teilweise vorhanden ist und aus einer „dünnen Schwarte“ aus Borke, Phloem und Xylem besteht (Abb. 6). Das weiter innen liegende Kernholz (der Reifholzart „Linde“) gibt es nicht mehr: Es ist im Lauf der Zeit verschwunden. Eine Anfrage bei der Klosterverwaltung ergab, dass in der Vergangenheit öfters Blitze in den Baum eingeschlagen sind und als Nachwirkung dieser Naturereignisse die völlige Ausfaulung entstanden ist.

Ob und mit welcher Auswirkung auf den Habitus der Linde Schnittmaßnahmen in der Krone erfolgten, lässt sich nur undeutlich erkennen. Aber vor nicht allzu langer Zeit hat man eine Kronensicherung eingebaut (Abb. 7), die die auseinanderstrebenden Teile des Baums zusammenhält und verhindert, dass der Stamm bei Sturm, der hier oben bestimmt schon mal heftiger ausfällt, unter der Last des Windes, der auf die Äste einwirkt, völlig auseinander bricht. Bisher hat das gut „funktioniert“.

Die Linde erfreut jedes Jahr erneut die Menschen auf dem Mont Sainte-Odile, wenn sie ergrünt und blüht, und den Besuchern des Klosters ihre Lebenskraft zeigt (Abb. 8). Vielleicht ist sogar mancher geneigt, an ein Wunder zu glauben, das die Heilige Odilia, die Patronin des Elsass, wieder vollbracht hat.

Der Autor: K. Schröder

Fotos: K. Schröder

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Quellen:

  • Der Aufsatz entstand unter Verwendung von Informationen von Frau Renata Bousquet (Rezeption Kloster St. Odile) sowie von Hinweisen/Berichten aus dem Internet (u. a. Wikipedia).
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