Die Linde von Schenklengsfeld – Deutschlands ältester Baum?

Den ältesten Baum Deutschlands erwartet man in einem dunklen Winkel tief im Wald oder einem vergessenen Fleckchen irgendwo im Nirgendwo. Doch der wahrscheinlich älteste Baum – anhand bekannter Bäume und nachvollziehbaren Erkenntnissen – des Landes steht auf dem Marktplatz der kleinen hessischen Gemeinde Schenklengsfeld. Und das seit fast 1.300 Jahren.

Der älteste Baum – eine schwierige Suche

Es nicht einfach, dass Alters eines uralten Baumes zu bestimmen. Die klassische und sichere Methode der Jahrringzählung fällt in vielen Fällen aus. Teile des Stammes sind nach vielen Jahrhunderten des Baumlebens zerfallen oder fielen Pilzen und Insekten zum Opfer. Oft stehen nur die äußeren Teile des Stammes und auf den ersten Blick sieht es aus, als bestünde der die Linde aus mehreren Bäumen.

Eine andere Option ist die genetische Analyse der einzelnen Baumteile. Passen sie zusammen, kann ein Experte den Umfang des Baumes und daraus sein Alter halbwegs sicher schätzen. Auch Quellen in Geschichtsbüchern, alten Dokumenten, Gerichtsurteilen oder ähnlichen historischen Aufzeichnungen liefern Anhaltspunkte und erlauben eine exakte oder grobe Schätzung. Schwierig auszuwerten sind mündliche Überlieferungen. Diese geben häufig ein zu hohes Alter der Bäume wieder. Frei nach dem Motto: „Der Baum steht da ja schon immer und muss daher uralt sein“. Viele der „tausendjährigen Eichen“ im Lande sind in Wirklichkeit deutlich jünger.

Das Alter der Schenklengsfelder Linde

Bei der Schenklengsfelder Linde existieren unterschiedliche Angaben zum Alter des Baumes. Zwischen wenigen Jahrhunderten und jenen fast 1.300 Jahren, die sie zum ältesten Baum Deutschlands machen würden. Sie besteht heute aus vier einzelnen Stämmlingen, die, wären sie ein einziger Stamm, einen Umfang von fast achtzehn Metern hätten. Es ist wissenschaftlich nachgewiesen, dass alle vier von der gleichen Ursprungspflanze stammen. Ungeklärt bleibt, wie es dazu kam. Ist die Linde einst in die vier Teile, beispielsweise durch einen Blitzeinschlag, auseinandergebrochen, oder stammen sie aus Wurzelbrut?

Ohne dass dies explizit beurkundet ist, besteht die Möglichkeit, dass die Dorfbewohner den Baum beim Bau einer Kapelle im Jahr 760 pflanzten. Zusammen mit den wissenschaftlichen Untersuchungen ist daher ein Alter des Baumes von fast 1.300 Jahren durchaus realistisch. Erste Erwähnungen des Baumes im Ortszentrum stammen aus späteren Zeiten. Zwischen 1557 und 1796 (uns auch darüber hinaus) ist die Schenklengsfelder Linde als Gerichtslinde bekannt.

Die bestehenden Fakten lassen es nicht zu, das Alter der Linde exakt zu bestimmen. Dennoch gibt es nach Ansicht zahlreicher Experten ausreichend Hinweise, dass der Baum ein Alter von fast 1.300 Jahren aufweist. Da es keinen weiteren Baum im Lande gibt, bei dem die Erkenntnisse für ein höheres Alter sprechen, gilt die Schenklengsfelder Linde aktuell als der älteste Baum Deutschlands.

Die Linde auf dem Marktplatz

Wie viele andere Linden in Deutschland, ist die Linde in Schenklengsfeld seit Jahrhunderten ein wichtiger Bestandteil des dörflichen Lebens. Heute ist sie ein beliebter Treffpunkt mitten im Dorfzentrum und ein kleines, touristisches Ausflugsziel. Früher waren die Funktionen der Linde viel elementarer und hatten teilweise einen entscheidenden Einfluss auf das Leben der Schenklengsfelder.

Lange Zeit diente die Linde als Gerichtslinde. Mythen und alte Weisheiten sprechen der Baumart besondere Kräfte bei der Wahrheitsfindung zu. Zudem verlangte es früher das Gesetzt, dass Gerichte im Freien abzuhalten sind. Bäume schützten mit ihrem Blätterdach die Anwesenden vor Wind und Wetter. Der erhaltene Steinring, der die einzelnen Stämmlinge zusammenführt, schafft einen heiligen Bezirk. In diesem war es nach uraltem Brauch möglich, dass Recht zu verhandeln.

Wurde kein Recht gesprochen, waren Linden im Dorfzentrum oft ein klassischer Treffpunkt für Handel, Tratsch und Brautschau. An besonderen Feiertagen gab es rauschende Feste und Tänze unter dem schützenden Dach der Bäume. Bei echten Tanzlinden fertigten die Anwohner kunstvolle Gerüste in und um den Baum an, auf denen sie später fröhlich und ausgelassen tanzten.

Mit den Gerüsten formten sie die Äste, um die überdachte Fläche der Bäume zu vergrößern. Das heutige Gerüst und die Form der Äste der Schenklengsfelder Linde sind auf diese Art entstanden. In Anlehnung an diese Tradition feiern die Schenklengsfelder bis heute das „Lindenblütenfest“ und den „Abend unter der Linde“.

Die Linde heute

Dass die Sommerlinde aus vier einzelnen Stämmen besteht, sieht der Besucher nicht auf den ersten Blick. Besonders faszinierend ist die riesige Krone, die den ganzen Marktplatz prägt. Mit 25 Metern Durchmesser und einem Umfang von 120 Metern ist die Krone der Schenklengsfelder Linde die größte Baumkrone Deutschlands. Ein 65 Meter langes Holzgerüst stützt sie. Auf Bänken oder der Wiese unter dem Baum lässt es sich herrlich mit dem Rauschen des Blätterdaches entspannen.

Daten und Fakten

  • Höhe: knapp 20 Meter
  • Kronenbreite: 25 Meter
  • Stammumfang: fast 18 Meter
  • Alter: fast 1.300 Jahre

Die vier einzelnen und knochigen Stämmlinge messen im Umfang vier bis fünf Meter. Die Höhe des Baumes ist mit knapp 20 Metern eher klein. Das ist darauf zurück zu führen, dass die Äste gezielt nach außen geführt wurden, um die Fläche unter der Krone zu vergrößern. Die Linde macht für ihr Alter einen vitalen Eindruck. Regelmäßige Baumpflege vom Fachmann trägt genauso dazu bei wie die großangelegte Gießaktion der Schenklengsfelder während des trockenen Sommers 2018.

Im Zentrum des Baumes befindet sich ein Stein mit dem vermuteten Pflanzdatum im Jahr 760. Ein Zaun schützt einen großen Bereich im Inneren des Baumes. Sicherlich trägt es zum guten Zustand des Baumes bei, dass wenige Menschen diesen empfindlichen Wurzelbereich des Baumes betreten.

Zukunft der Schenklengsfelder Linde

Linden werden im Vergleich zu den meisten europäischen Baumarten außergewöhnlich alt. Dennoch sind über 1000 Jahre alte Bäume selten. Umso intensiver sind der Schutz und die Bemühungen, den Baum zu erhalten. Die Linde ist seit Jahrzehnten ein Naturdenkmal und durchlebte in ihrem Leben viele schwere Zeiten. Mit dem Klimawandel kommt eine neue Herausforderung auf dem Baum zu. Diese erfordert seine ganzen Kräfte. Es ist zu hoffen, dass zusammen mit den Menschen, die sich um den Baum kümmern, er auch diese Aufgabe meistert und viele Menschen mit seinem Schatten erfreut.

Der Autor: Jan Böhm

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