Das Kulturgut Kopfweide – Tradition und Handwerk

Die Kopfweide ist zwar keine eigene Baumart, aber einzigartig. Mit ihrem dicken, knorrigen Stamm und ihrer buschigen Krone ist sie als Allee- und Gartenbaum beliebt. Sie benötigt wenig Platz und ist Rohstoff für unterschiedlichste Handwerke. Ein echter Alleskönner! Leider wird sie in den heimischen Landschaften seltener. Eine jahrtausendealte Tradition droht zu verschwinden.

Geschichte der Kopfweiden

Die Geschichte dieser Bäume führt zurück in die Zeit um Christi Geburt. Die Menschen waren damals auf nachwachsende Rohstoffe aus ihrer Umgebung angewiesen. Je schneller diese nachwuchsen und je vielfältiger sie nutzbar waren, desto besser. Eigenschaften, welche die Weide von Natur aus mitbringt. Ihre biegsamen Äste lassen sich zu geflochtenen Körben oder Zäunen verarbeiten und das weiche Holz ist ein guter Brennstoff. Zusätzlich eignen sich die Ruten für die Tierfütterung und sind zerkleinert als Einstreu im Stall verwendbar.

Zu Beginn setzten die Bauern die Bäume meist auf Stock, schnitten sie also in Bodennähe ab. Von dort trieb die Weide buschig aus. Das Problem ist der hohe Platzbedarf. Die Sträucher sind ausladend und Weidetiere fressen die Triebe an. Deshalb bot sich der Schnitt der Weide als Kopfbaum an. Der Stamm wird bis zu einer Höhe von zwei bis drei Metern belassen und die Treibe am Kopf regelmäßig entfernt. Das hat den Vorteil, dass darunter andere Kulturen wachsen und Tiere nicht an die wertvollen Triebe herankommen. Dieselbe Technik findet sich auch beim Schneitelbetrieb mit Kopfeichen. Auch sie wurden als Tiernahrung und Brennholz immer wieder auf Kopf gesetzt.

Traditionelles Handwerk neu belebt

Weidenruten eignen sich hervorragend als Werkstoff für Flechtarbeiten. Sie sind bruchfest aber biegsam und erfüllen die Kriterien als Rohstoff für Korbwaren, Zäune, Rankgittern, Fischreusen und allem, was die Flechtmeister aus den Ruten zaubern. Nach und nach gewinnt die Kunst wieder an Bedeutung, sowohl als Hilfsmittel, als auch für hochkomplexe Designerstücke. Mittlerweile finden sich in vielen Regionen Kurse von Korbflechtereien statt, damit dieses Handwerk neu auflebt.

Rückkehr und Erhalt der Kopfweiden

Kopfweiden verschwinden langsam aus unserem Kulturkreis. Produkte aus Weidenruten sind nicht mehr gefragt und die Viehhaltung auf andere Futter- und Einstreu-Materialien umgestiegen. Die Bäume verlieren an Bedeutung und ihre Pflege ist zusätzliche Arbeit. In der Folge wurden viele Bäume vergessen und sich selbst überlassen. Die Kronen wachsen weiter und werden schwerer. Wird die Last zu groß, brechen alte Stämme auseinander. Der Lebensraum für unterschiedliche Tierarten gehrt verloren und ein Teil der Kulturgeschichte gerät in Vergessenheit.

Doch in den letzten Jahren interessieren sich wieder mehr Menschen für die Kopfweiden und holen diese Kultur zurück ins Leben. Sie pflegen die alten Bäume und pflanzen neue Weiden. Dabei profitieren sie teilweise von verschiedenen Förderprogrammen aus dem Natur- und Landschaftsschutz. Auch der Ökotourismus spielt eine Rolle, denn die bizarren Baumformen locken Besucher an. Wanderungen und Naturlehrpfade informieren über die Bäume. Korbflecht-Workshops runden die Freizeitangebote ab.

Kopfweiden im Garten

Kopfweiden sind Relikte aus alten Tagen, die sich auch im Garten sehen lassen. Sie sind preiswert und behalten bei guter Pflege ihre geringe Höhe bei. Ohne Pflege jedoch brechen die Bäume auseinander.

Für die eigene Kopfweide im Garten holen Sie sich circa zwei Meter lange und fünf Zentimeter dicke Triebe einer Silberweide, Purpurweide oder Korbweide. Graben Sie die Äste etwa 30-40 Zentimeter tief in humose Erde ein. Mit genügend Wasser treibt der Stock schnell Wurzeln, Äste und Blätter. Reißen Sie alle Austriebe aus, die sich unterhalb der Krone bilden. Nur dann entsteht ein dicker, gerader Stamm. Die Kronentriebe schneiden Sie alle drei Jahre auf einen kleinen Stummel zurück. Danach treibt die Weide neu aus und bildet im Laufe der Zeit lange und verzweigte Ruten. Diese eignen sich hervorragend zum Flechten von Körben oder als Rankgitter in Beeten.

Regelmäßiger Schnitt ist Pflicht

Kopfbäume benötigen für ein langes Leben regemäßige Pflege, da sie sonst unter dem Gewicht der Kronen zusammenbrechen. Der Rückschnitt erfolgt bei jungen Bäumen alle zwei bis drei Jahre, bei älteren im fünf- bis achtjährigen Rhythmus. Der Schnitt entfernt die gesamte aktuelle Krone und regt den Baum an, neue junge Triebe zu produzieren. Innerhalb der folgenden Vegetationsperiode treiben die Bäume eine neue, kleine Krone aus und erscheinen im grünen Kleid.

Gerade an Alleen kann der gleichzeitige Rückschnitt der Kopfbäume in den folgenden Wochen kahl anmuten. Die Maßnahme scheint radikal wie eine Kappung und löst gelegentlich Unmut unter den Anwohnern aus. Doch im Vergleich zur Kappung ist der Kopfbaumschnitt überlebensnotwendig für die Bäume und gehört zum Lebenszyklus. Kopfbäume sind menschgemacht und brauchen ständige Pflege.

Ein ganzes Biotop in einem Baum

Weiden bieten eine Heimat für zahlreiche Tierarten. Besonders Kopfweiden haben einen differenzierten Aufbau, der es unterschiedlichen Arten ermöglicht, die optimale Nische für sich zu finden. In der Krone leben wie in jedem normalen Baum Vögel. Für sie sind die Weiden Ansitz, Futterplatz und dienen dem Nestbau. Den Stamm nutzen andere Vogelarten, wenn sich durch den Zersetzungsprozess von Pilzen Höhlungen gebildet haben. Sie sind optimale Nistplätze für Höhlenbrüter wie Feldsperling, Steinkauz und verschiedene Meisenarten. Auch Siebenschläfer oder Eichhörnchen nutzen das Höhlenangebot. Die seltenen Fledermäuse überwintern in den Höhlen oder hängen in ihnen während der heißen Sommertage.

Die Weide hat kein Kernholz und der Stamm ist so weich, dass sie sich kaum gegen eindringende Pilze schützt. Damit ist sie ein idealer Baum für bedrohte Insekten. Der schnell einsetzende Zersetzungsprozess führt zu seltenen Mulmhöhlen. Sie sind Lebensraum für viele streng geschützte Arten wie Eremit oder Hirschkäfer. Auch andere Insektenarten brauchen die Weide zum Leben. Die Kombination aus altem Baumstamm und jungen, reich blühenden Trieben macht die Bäume einzigartig. Sie ernähren mit ihren Kätzchen jedes Jahr Insekten und bieten gleichzeitig deren natürlichen Feinden, den Vögeln, Unterschlupf. Ein intaktes Ökosystem in einem Baum.

Ebenso siedeln verschiedene Pflanzen auf Kopfweiden. Vögel tragen sie mit ihrem Kot auf die Bäume. Dort finden sie auf den halb zersetzten Köpfen und in den Spalten der Stämme nährstoffreichen Mulm vor. Er bietet beste Bedingungen für die Keimung. Typisch ist der Schwarze Holunder. Er sitzt wie auf einem Thron auf den Kopfweiden und genießt die erhöhte Position. Doch seine Wurzeln sind stark, und manchmal spaltet er die Weidenstämme. Ein Problem für die Weide, das Pilze und Insekten freut!

Die Autorin: Marina Winkler

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