Kaliumformiat – eine echte Alternative zu Streusalz?

Ist Kaliumformiat wirklich das „Ei des Kolumbus“? Das Salz der Ameisensäure kommt nicht nur im Schnupftabak vor, sondern gilt auch als umweltschonende Alternative zum Streusalz im Winterdienst. Seit mehr als 40 Jahren wird regelmäßig über die verheerenden Auswirkungen von Streusalz auf die Umwelt, die dadurch verursachte Korrosion, die negativen Auswirkungen auf Bauwerke sowie das Sterben von Pflanzen – insbesondere unserer Straßenbäume – hingewiesen. Leider ist das Problem heute aktueller denn je. Überall, wo Schnee fällt und sei es auch nur sporadisch, wird Streusalz eingesetzt, als sei es „das Beste für die Umwelt“. Das Gegenteil ist aber der Fall.

Kochsalz (Natriumchlorid NaCl) ist eines der günstigsten, beinahe „unbegrenzt verfügbaren“ Mittel und wird aggressiv beworben. Der vorbeugende Einsatz ist auch dort nicht unüblich, wo es laut gültiger Reinigungssatzung oder -verordnung der Städte eigentlich nicht eingesetzt werden darf: auf Gehwegen und damit auch im Bereich unserer wertvollen Pflanzen und Baumbestände.

Der Einsatz von Kaliumformiat

Über den Einsatz dieses Taumittels gibt ein Fachaufsatz (PDF) des liefernden Unternehmens Auskunft. Dort heißt es:

Auf der Suche nach alternativen Enteisungsmitteln könnte der Winterdienst auf Flughäfen eine interessante Wissensplattform für Kommunen sein. Schließlich stellen die Airports bei der Auswahl der Enteisungsmittel für Start- und Landebahnen hohe Ansprüche an Funktionalität, Effizienz, Materialkompatibilität, aber auch an die Umweltverträglichkeit.

Gerade in der jüngeren Vergangenheit macht aber eine Alternative zum Streusalz Schlagzeilen: Kaliumformiat. Es handelt sich um das Kaliumsalz der Ameisensäure, das zur Enteisung von großen Flächen wie Flughäfen oder Straßen eingesetzt wird. Laut Wikipedia hat sich dieses Taumittel „in einer Untersuchung des Finnish Environment Institute (SYKE) im Vergleich zu kochsalzhaltigen Auftaumitteln als verhältnismäßig umweltschonend erwiesen.“

Enteisung großer Flächen auf Flughäfen

Seit den frühen 90er Jahren wird der Einsatz von Acetaten und Formiaten zur Enteisung von großen Flächen empfohlen. Sie lösten damals Glykole und Harnstoff ab: Taumittel, die wegen ihrer negativen Umweltwirkung in die Kritik geraten waren. Aufgrund besserer Wirksamkeit und höherer Umweltverträglichkeit haben sich im Lauf der Jahre vielerorts die Formiate gegenüber den Acetaten durchgesetzt. So verwendet etwa der Flughafen Zürich seit dem Winter 2005/2006 flüssiges Kaliumformiat und granuliertes Natriumformiat für die Flächenenteisung.

Seit Formiate zum Einsatz kommen, konnte der Flughafen die Umweltbelastungen deutlich reduzieren. Formiate weisen eine lange Wirksamkeit und sehr geringe Ökotoxizität auf und sie sind bei winterlichen Temperaturen leicht abbaubar. Zudem wird während des Mineralisierungsprozesses wenig Sauerstoff benötigt. Dadurch ist ihr Anteil im Altwasser geringer. Die Gewässer werden weniger mit organisch gebundenem Kohlenstoff (DOC) belastet, der dort zu Bakterienwachstum und Sauerstoffmangel führt.

Kaliumformat in Städten

Positive Erfahrungsberichte vonseiten der Flughafenbehörden machten Kommunen, Unternehmen und Privatverbraucher in Deutschland, Österreich und Skandinavien auf diese Alternativen zum Beispiel zu Streusalz aufmerksam. So setzt etwa die Stadt Kopenhagen seit zwei Jahren Kaliumformiat ein. Im Vergleich zum herkömmlichen Streusalz und abstumpfenden Mitteln sind die in Kopenhagen eingesetzten Formiate zwar in der Beschaffung rund zehnmal teurer. Betrachtet man aber die Gesamtkosten, die neben den Beschaffungs- auch Folgekosten umfassen, relativieren sich diese: Die Behebung von Korrosionsschäden und die Neuanpflanzung von Bäumen entfallen.

Grundsätzlich könnten Formiate nicht nur auf größeren Straßen, sondern auch auf Fuß- und Fahrradwegen eingesetzt werden, die an sensible Grünflächen angrenzen. Versuche bezüglich der Blattgesundheit von Linden (Tilia platyphyllos) in Kopenhagen belegen, dass angrenzendes Straßengrün durch den Einsatz von Kaliumformiat nicht beeinträchtigt wird.

Im Gegensatz zum Streusalz sind Acetate und Formiate biologisch abbaubar. Da Formiate selbst bei winterlichen Temperaturen leicht abgebaut werden und im Vergleich zu Acetaten einen geringeren Sauerstoffbedarf bei der Mineralisierung aufweisen (niedriger chemischer Sauerstoffbedarf, COD), gelten die Salze der Ameisensäure als umweltfreundlicher.

Weniger Belastung für die Fauna: Punktuell könnten Formiate auch in Städten und Gemeinden eine sinnvolle Alternative zum Streusalz sein. Im Flughafenbereich scheinen nachhaltigere Winterdienstlösungen bereits erprobt und etabliert zu sein. Nun stellt sich die Frage, wie sich diese Entwicklungen in der Zukunft auf den kommunalen und privaten Bereich auswirken werden.

In einem Aufsatz geben Morten Ingerslev, Kim Sörensen, Simon Skov und Oliver Bühler (Stadt bzw. der Universität Kopenhagen) ihre Erfahrungen mit Kaliumformiat im begrünten Straßenraum wieder:

In Dänemark spielt NaCl eine große Rolle als Auftaumittel und ist dementsprechend verantwortlich für eine oftmals beeinträchtigte Baumgesundheit. Dänische Kommunen sehen im Winterdienst den wesentlichsten Stressfaktor für ihre Bäume. Messungen zeigen, dass der Abstand der Bäume zur Fahrbahn eine große Rolle für deren Salzbelastung spielt. Auch verschiedene Formen von abschirmenden Elementen können den Eintrag von Salz in den Wurzelbereich der Bäume effektiv reduzieren. Versuche mit alternativen Taumitteln zeigen, dass Kaliumformiat im direkten Vergleich mit NaCl aus baumbiologischer Sicht positiv zu bewerten ist.

Sanierung von Streusalzschäden

In Osnabrück und anderen Kommunen spielt der Einsatz von Kaliumformiat bislang keine Rolle. Obwohl eine groß angelegte Kampagne in Osnabrück für den Einsatz umweltverträglicher, abstumpfender Mittel erste Früchte trägt, fällt es Bürgern und privaten Winterdienstleistern offensichtlich nicht leicht, auf Streusalz zu verzichten. Um den sich daraus ergebenden Effekt auf Bäume zu demonstrieren, wurde der Versuch unternommen, eine stark streusalzgeschädigte Linde zu retten.

Fotos: K. Schröder

Nach der Sanierung des Baumstandortes soll sich der Baum zunächst so weit wie möglich „erholen“. Die Linde wurde schon im März 2013 zurückgeschnitten. Der Austrieb im Folgejahr (2014) war zunächst recht gut, um danach wieder deutliche Blattrandnekrosen zu zeigen und zwar überwiegend in „der einen Hälfte“ der offenbar „zweigeteilten“ Krone. Es könnte unter dem Baum (wenn es denn überhaupt, je nach Witterungsbedingungen notwendig sein wird, zur Sicherheit der Passanten zu streuen) Kaliumformiat anstelle von Natriumchlorid eingesetzt werden. Die vom Labor Meyer-Spasche durchgeführten Gewebs- und Bodenanalysen lassen die Hoffnung zu, dass sich der Baum erholt – falls kein weiteres Streusalz (NaCl) eingesetzt wird.

Der Autor: Klaus Schröder (Überarbeitung: Elisabeth Morgenstern)

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