Fehler bei Baumschnitt an junger Kirsche

Blatt_Frage

Wir haben vor circa zwei Jahren eine Süßkirsche gepflanzt. Nach einem Jahr habe ich den Kirschbaum das erste Mal geschnitten. Doch der Baumschnitt an der Kirsche scheint daneben gegangen zu sein. Eigentlich sollte es nämlich eine Pyramidenkrone werden. Aber jetzt sieht es so aus, als ob sich eine Etagenkrone gebildet hätte: unten eine Reihe mit recht dicken Ästen, die wieder ausgetrieben haben, und weiter oben eine Reihe mit dünneren Ästen. Dazwischen gibt es circa 50 Zentimeter Baumstamm mit nur ein paar dünnen Ästchen. Wie kann ich jetzt noch eine schöne Krone hin bekommen? Sollte ich die untere Astreihe absägen?

Der Erziehungsschnitt in aller Kürze

Blatt_Antwort

Erziehungsschnitt kann man sicherlich nicht anhand eines einzigen Bildes erklären. Ich belasse es deshalb bei ein paar groben Beschreibungen. In der Tat werden die unteren Ästchen des Baums durch obere Äste überbaut und unterdrückt. Die Entscheidung, ob Sie die untere oder obere „Krone“ behalten möchten, liegt ganz bei Ihnen. Sie müssen aber aktiv etwas dafür tun, dass die Äste, die Sie erhalten wollen, nicht wieder durch weiteren Wuchs unterdrückt werden.

Kronengerüst

Beim Erziehungsschnitt werden erst einmal die künftigen Gerüstäste (Hauptäste) bestimmt, die im Idealfall bis zum Lebensende des Baums das Gerüst der Krone bilden werden und die die Fruchtäste tragen sollen. Die Höhe des Kronenansatzes wird durch die Wuchsstärke des Baums bestimmt. Süßkirschen werden zu eher größeren, ausladenden Bäumen. Deshalb bietet sich bei diesen Bäumen ein Kronenansatz in ein bis zwei Metern Höhe an. Letztlich hängt es aber vom Wunsch der Besitzer ab, wie niedrig oder wie hoch der Kronenansatz einmal sein soll. Müssen sie mit dem Rasenmäher unter dem Baum durch? Muss ein Traktor unter dem Baum durchfahren oder müssen Leute darunter durchlaufen? Wollen Sie möglichst ohne hohe Leitern ernten? Sie können selbst, je nach Ihren Bedürfnissen, bestimmen, in welcher Höhe der unterste Kronenast ansetzt.

Es empfiehlt sich, neben der Stammmitte drei bis maximal vier Kronenäste heran zu ziehen. In der Jugendphase muss man darauf achten, dass diese Äste so stabil und kräftig wie möglich mit der Stammmitte mitwachsen. Das ist dann der Fall, wenn der Zuwachs der Gerüstäste in der Stärke ungefähr dem Zuwachs und der Stärke der Stammmitte entspricht. Sind die Gerüstäste gegenüber der Mitte zu dünn, müssen sie gefördert werden. Sind sie zu dick im Vergleich, dann ist es ratsam, die Mitte mehr zu fördern.

Früchte sind während der Erziehungsphase erst einmal nicht so wichtig. Die Gerüstäste sollten nicht zu flach sein, sonst werden sie nicht so stabil oder die Hebelkräfte mit dem Frucht- und Astgewicht wirken sich später ungünstig aus. Stehen sie wiederum zu steil, ist zu wenig Platz zwischen Gerüstästen und Stammmitte. Von diesen Gerüstästen sollten dann Fruchtäste balkonartig nach außen wachsen. Anhand des vorliegenden Fotos Ihres Baumes entsteht der Eindruck, die Äste sind an Ihrer Süßkirsche eher zu flach als zu steil.

Herunterbinden unterlassen!

Im Bild sind weiterhin Schnüre zu sehen, die die Äste herunterbiegen. Das sollten besser unterlassen werden. Keinesfalls die künftigen Gerüstäste herunterbinden. Sie sollten eher steiler nach oben wachsen, so dass die Astanbindung zum Stamm dauerhaft die Fruchtäste tragen kann. Die Gerüstäste sollten eher nach oben auslaufen und nicht waagerecht. Hier würden sie auf Dauer unterdrückt und nur noch schwach wachsen und von anderen Ästen überwachsen werden. Das ist nach dem Bild zu urteilen bereits der Fall. Die unteren Äste werden überwachsen, weil sie zu flach nach außen gehen. Damit das Kronengerüst mit der Mitte mithalten kann, müssen die Gerüstäste (Hauptäste) steiler stehen.

Das Herunterbinden von Ästen ist bei Süßkirschen sowieso nicht notwendig. Überhaupt ist es bei stärker wachsenden Bäumen in meinen Augen nicht sinnvoll. Sinn macht es nur bei reinen Fruchtästen, um das Wachstum zu bremsen und so den Fruchtansatz zu fördern. Zum einen tragen aber auch senkrechte und steile Äste Früchte. Zum anderen gibt es so viele Äste zur Auswahl, da braucht man sich nur die richtig stehenden auszusuchen und kann sich das Waagerechtbinden sparen. Dann dabei macht man mehr falsch, als dass es etwas nützt. Bei den Gerüstästen ist es sowieso nicht zu empfehlen! Nur wenn man eine ganz bestimmte, exakte Kronenform haben möchte, lohnt es sich, über das Formen von Ästen nachzudenken.

Kräftigung der Gerüstäste

Die Gerüstäste sollen die „Chef-Äste“ werden. Damit sie das auch auf Dauer bleiben, muss alles getan werden, um sie zu fördern. Zur Kräftigung werden sie während der Erziehungsphase jährlich im einjährigen Endtrieb angeschnitten, um das Dickenwachstum zu fördern. Dickenwachstum ist wichtig, da die Gerüstäste später die ganzen Fruchtäste tragen sollen. Beim Anschneiden wundern Sie sich nicht, dass unter Umständen die Äste in alle unmöglichen Richtungen stehen. Das ist bei Kirschen normal.

Und noch eine Besonderheit bei Steinobst: Einjährige Neutriebe tragen an der Seite Blütenknospen, nur vereinzelt auch Blattknospen. Diese sind jedoch optisch nicht leicht, bzw. gar nicht voneinander zu unterscheiden. Werden die Spitzen der Gerüstäste gekürzt und auf Knospen zurück geschnitten, kann es also sein, dass man auf eine Blütenknospe zurück geschnitten hat. An dieser Stelle wächst dann kein neuer Trieb, sondern erst dort, wo eine Blattknospe war.

Im nächsten Jahr sollten Sie unbedingt darauf achten, dass Sie den Gerüstast nicht auf waagerechte Triebe weiterleiten, sondern auf steil stehende. Sonst flacht die Krone zu schnell ab und gerät ins Hintertreffen. Die obere Gerüstastverlängerung beschattet (d. h. unterdrückt) dann die unteren Fruchtäste.

Pflege

Ist die gewünschte Höhe erreicht, müssen Sie nur noch ausdünnen. Oben und außen sollten nur kleine schwache Fruchtäste stehen, innen und unten kräftigere, längere. Die Fruchtäste an der Stammmitte und den Gerüstästen werden immer wieder durch nachwachsendes Jungholz abgelöst. Oben und außen stärker und öfter schneiden, unten und innen weniger oft. Je weiter unten, desto mehr werden Fruchtäste auch zu „Gerüstästen am Gerüst“.

Wenn Sie es schaffen, dass oben und unten, innen und außen die Zuwächse gleich lang sind, dann haben Sie den Baum wunderbar geschnitten und im Griff.

Übrigens: Was ist ein Fruchtholz? Das ist der Ast, an dem die Blüten sitzen. Blüten sitzen immer am einjährigen Holz, immer! Deshalb ist es wichtig, dass man stets ausreichend einjährigen Zutrieb hat. Ist der Zutrieb minimal, z. B. nur einen Millimeter, dann sieht man den einjährigen Ast nicht und denkt, die Blüte säße am mehrjährigen Ast. Bei Süßkirschen nennt man eine solche Ansammlung von Knospen Buketttriebe. Das sind kleine, gestauchte, einjährige Minimaltriebe, die an der Seite auf kurze Distanz einige Blütenknospen haben. Diese sehen dann aus wie kleine Blütenknospensträuße. Bei Süßkirschen können diese einjährigen Triebe auch noch bis in älteres Holz vorkommen.

Die Süßkirsche hat einen vergleichsweise lockeren Kronenaufbau. Deshalb kommt auch ins Innere der Krone einiges an Licht. Hierdurch verzeiht es die Süßkirsche, wenn man nicht so oft und nicht so stark schneidet. Trotzdem ist es von Vorteil, der Kirsche jährlich einen Baumschnitt zu gönnen. Der Wuchs kann so langfristig optimaler und einfacher gestaltet werden. So verhindern Sie zuverlässig, dass der Baum irgendwann innen verkahlt. Das wiederum ist nicht nur beim Ernten von Vorteil, sondern Sie verhindern auch, dass der Baum irgendwann gekappt werden muss, weil man meint, ihn nicht mehr in der Höhe bändigen zu können.

Der Autor: Johannes Bilharz

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Nachfrage: Wann und wo schneiden?

Blatt_Frage

Wenn ich die obere Krone behalten möchte, müsste ich also alle unteren, bisher ausgebildeten Äste absägen, richtig? Wenn ja, wann ist dafür die beste Jahreszeit / Monat / Wetter? Muss ich an der oberen Krone noch Äste kürzen, eventuell den oberersten Ast?

Antwort: Beste Zeit ist der Winter

Blatt_Antwort

Nein, das ist nicht richtig. Die unteren Äste sind so stark untergeordnet, dass sie von den oberen überwachsen wurden und deshalb keine Konkurrenz darstellen. Die stärkeren Äste darunter könnte man wegnehmen, um wirklich sicher zu gehen. Die anderen bleiben als Fruchtäste – es sei denn, sie stören.

Der Winter ist für solche Maßnahmen günstig: je früher bis zum Austrieb, desto stärker der Austrieb an den Schnittstellen der Gerüst- und Leitäste. Diese sollen schließlich kräftig werden.

Wenn die oberen Äste für die Gerüstäste herangezogen werden, dann eine Mitte und drei (max. vier) begleitende Äste auswählen (kräftig, nicht zu flach, nicht zu steil und im Radius bestmöglich gut verteilt). Diese werden um circa ein Drittel eingekürzt (nur im einjährigen Astbereich). Die Einkürzung bewirkt, dass ein Wachstumsimpuls ausgelöst wird und der ausgewählte Ast sich kräftigt. Das soll er auch, denn ein Gerüstast soll schließlich bis ans Lebensende des Baumes die Last der Fruchtäste und deren Früchte tragen.

Angeschnitten werden nur die ausgewählten Gerüstäste, nicht die Äste, die als Furchtäste dienen sollen! Sobald der Baum seine ungefähre Endhöhe erreicht hat, werden auch die Gerüstäste nicht mehr angeschnitten, sondern nur noch steil „verschlankt“ und ab und zu ausgetauscht. Äste kommen entweder ganz weg oder bleiben ganz dran.

Oben und in der Peripherie nimmt man die dicken und alten Fruchtäste heraus und belässt die dünnen und jungen. (Immer von oben nach unten und von außen nach innen schneiden.) Je weiter man nach unten oder innen kommt, desto mehr Äste dürfen verbleiben und je dicker und verzweigter dürfen bzw. sollen die Äste sein. (Bei dem Bäumchen auf dem Bild dürften es nicht mehr als 20 Schnitte sein.)

Die Gerüstäste am besten ohne große Knicks harmonisch und natürlich nach oben wachsen lassen. Lieber zu steil als zu flach. Bei den Fruchtästen eher umgekehrt. Sie sollten eher flacher gehalten werden. Lieber flacher als zu steil. Binden oder steil stellen muss man eigentlich nicht unbedingt, da meist genug Äste zur Auswahl stehen. Einfach die passenden auswählen. Im jungen Stadium eher mehr schneiden, so dass der Baum sich erst einmal kräftigt. Das hängt aber letztlich ab von der Triebigkeit, der Anzahl der Äste und dem Ziel des Besitzers oder Baumschneiders.

Der Autor: Johannes Bilharz

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